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Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

Willst du mit mir gehen? Singles werden oft nicht ernst genommen und bemitleidet. Das muss aufhören. Foto: pixabay Wie geht man als Christ oder Christin damit um, wenn es mit der Liebe einfach nicht klappen will? Und wie gehen die anderen damit um? Gerade in christlichen Kreisen kann der Druck, eine Ehe zu schließen oder eine Familie zu gründen stark werden. Ist das gerechtfertigt? Nora Tschepe-Wiesinger sprach mit christlichen Singles über das Bemitleidetwerden, über Beziehungen zwischen Christen und Nicht-Christen und über das zu oft ausgeklammerte Thema Sex.

Der Druck, den Partner fürs Leben zu finden, ist hoch genug. Haben es Christinnen und Christen als Singles noch schwerer?

Von Nora Tschepe-Wiesinger

Gibt man das Stichwort „Single“ in die Suchmaske der Programm-App zum 37. Kirchentag in Dortmund ein, erhält man vier Treffer. Die fünfte Veranstaltung, ein Workshop mit dem Titel „Wie lebt es sich allein? Single-Sein im Mittelpunkt“, ist rot durchgestrichen. Darüber steht: Die Veranstaltung entfällt leider. Sucht man hingegen nach „Familie“, zeigt die App 196 Veranstaltungen an. Es gibt Familienmusicals, Familiensegnungsgottesdienste, Familienfußballspiele.Laut einer Studie der Partnervermittlungsbörsen Elitepartner und Parship aus dem Jahr 2018 sind in Deutschland 16,8 Millionen Menschen zwischen 18 und 65 Jahren Singles, also ungefähr jede*r Vierte. Wird das Singlesein als Lebensform zu wenig ernst genommen? Und gelten Singles gerade in christlichen Kreisen noch stärker als bemitleidenswerte Einzelgängerinnen und Einzelgänger, die die richtige Partnerin oder den richtigen Partner noch nicht gefunden haben?

Beim?Alten Testament stehengeblieben?„Lange habe ich das so gesehen“, sagt Astrid Eichler, Theologin und Mitgründerin von „Solo[&]Co“, einem Netzwerk, in dem sich christliche Singles ungezwungen begegnen können. „Aber dann habe ich den Film ‚Dinky Sinky‘ über eine 36-jährige nichtchristliche Singlefrau gesehen, die stark umgetrieben wird vom Kinderwunsch. Danach habe ich gedacht: Nein, Nichtchristen haben es bei diesem Thema doch nicht einfacher.“ Astrid Eichler ist selbst Single und plädiert für eine Gesellschaft und eine Kirche, in der sich die Einstellung zum Thema Singlesein ändert: weg vom Bemitleiden, hin zu einem Ernstnehmen und Wertschätzen. „Mir scheint es manchmal, dass Christinnen und Christen bei dem Thema im Alten Testament stehen geblieben sind.“ Immer wieder geht es um die Verse „Seid fruchtbar und mehret euch“ (1. Mose 1,28) und „ Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist“ (1. Mose 2,18). Dabei werde Jesus, der als Single und jüdischer Rabbi ohne Familie lebte, außer Acht gelassen. „Jesus hat gesagt: ‚Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt und volle Genüge‘ (Johannes 10,10). Er hat das nicht an einen Beziehungsstatus oder Familienstand gebunden. Das müssen wir wiederentdecken und ernst nehmen. Es gibt ein erfülltes, sinnvolles Leben auch ohne Ehe und Familie“, sagt Eichler. Bei „Solo[&]Co“ ginge es daher nicht primär um eine erfolgreiche Partnervermittlung. „Wir bieten Räume an, in denen sich Singles einfach so begegnen können, wo über Themen gesprochen wird, über die sonst nicht gesprochen wird und wo Ermutigung geschieht.“

Ist vorehelicher Sex noch ein Thema?Ein Thema, das in vielen Gemeinden oft ausgeklammert wird, ist der Umgang mit Sexualität. „Das ist falsch“, sagt Viktor Weber, Pfarrer in den Gemeinden Staaken und Haselhorst in Berlin-Spandau. „Sexualität gehört zum Menschsein dazu und ist an und für sich etwas Positives.“ Auch vor der Ehe sei rücksichtsvoller und aufgeklärter Sex aus christlicher Sicht nicht grundsätzlich zu beanstanden, sagt Weber. „Dort, wo im Gegenüber ein Kind Gottes gesehen wird, ist eine Beziehung in den Augen Gottes eine legitime Beziehung“ – das gelte auch für homosexuelle Partnerschaften.Marie (26, Name von der Redaktion geändert) will dennoch warten. „Für mich hat Sex einen sehr hohen Stellenwert, denn es ist die Art, wie wir Leben erzeugen. Die Ehe ist ein von Gott gewollter Schutzraum dafür“, sagt sie. Das entspricht auch ihrer Idealvorstellung: „Zwei Menschen treffen sich, heiraten, also bekennen sich vor Gott zueinander und erhalten seinen Segen, und trennen sich bis zu ihrem Tod nicht mehr. Ich glaube, dass Beziehung so am besten funktioniert.“ Für Marie ist ihr Glaube das Wichtigste in ihrem Leben. Daher kann sie sich nicht vorstellen, einen Partner zu haben, der kein Christ ist. „Ich wünsche mir den Glauben als Grundlage für die Beziehung, für unsere Kommunikation, für eventuelle Kinder, für gegenseitige Ermutigung und die Akzeptanz des Anderen.“ Marie erzählt, dass ihrer Entscheidung ein jahrelanger Prozess vorangegangen sei, in der sie sich viele Meinungen angehört und zugelassen habe. Am Ende sei ihr klar geworden, dass sie die Beziehung, die sie sich wünscht, nur mit einem Christen haben kann.

Gemeinsamer Glaube als Beziehungsanker?Lena (32, Name geändert) ist weniger entschlossen. Ihre Ex-Freunde waren bisher alle nicht christlich. „Letztendlich sind die Beziehungen an Problemen zerbrochen, die nichts mit dem Glauben oder einem christlichen Lebensweg zu tun hatten. Aber natürlich habe ich mir rückblickend die Frage gestellt: Wie wäre die Situation verlaufen, wenn wir zusammen hätten beten und unsere Probleme gemeinsam vor Gott hätten bringen können?“ Pfarrer Viktor Weber ist überzeugt, dass Beziehungen zwischen Christen und Nichtchristen funktionieren können – insbesondere in christlich geprägten Kulturen. „Auch der Nichtchrist ist im Grunde sehr christlich, weil unsere Gesellschaft von christlichen Werten durchdrungen ist.“ Astrid Eichler hingegen sagt, dass sie sich wie Marie nicht vorstellen kann, das, was ihr am wichtigsten ist, nämlich ihr christlicher Glaube, nicht mit der Person teilen zu können, mit der sie am engsten verbunden ist. Einig sind sich aber alle, dass das Bemitleiden von Singles aufhören muss. Viktor Weber sagt: „Kirche und Gesellschaft müssen akzeptieren, dass der Singlestatus ein ganz normaler vorübergehender oder dauerhafter Zustand ist, der wie auch eine Partnerschaft Vor- und Nachteile hat.“