Heinrich Bedford-Strohm scheidet Ende Oktober nach zwölf Jahren als bayerischer Landesbischof aus dem Amt. Dabei war Bayern nie sein einziges „Spielfeld“: Von 2014 bis 2021 war er auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und damit ihr höchster Repräsentant. Seit 2022 ist der Einsatz für die weltweite ökumenische Zusammenarbeit neues Ehrenamt des Theologen: Er ist Vorsitzender des Zentralausschusses des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK). Mit dem angehenden Pensionär sprach der Evangelische Pressedienst (epd) über seine doppelte Solidarität für Juden und Palästinenser im Nahost-Konflikt und über seine neue Zeiteinteilung als Großvater.
epd: Herr Bedford-Strohm, Sie werden Bayern nach dem Ende ihrer Amtszeit am 29. Oktober verlassen – und wollen trotz ihres herausfordernden Ehrenamts beim Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) regelmäßig freie Wochen für Privates einplanen. Das ist bei Ihnen eher schwer zu glauben.
Bedford-Strohm: Das liegt vielleicht daran, dass ich in meiner gesamten Amtszeit nie eine Homestory gemacht habe. Ich habe schon in den vergangenen Jahren trotz sehr intensiver Arbeitsphasen immer wieder Zeiten für die Familie und auch mich reserviert, über die ich aber nicht bei Social Media berichte. In den kommenden Jahren habe ich neben den Weltkirchenratsverpflichtungen regelmäßig 2-Wochen-Abschnitte vorgesehen, die strikt für die Familie reserviert bleiben.
epd: Die für Ende Oktober angesetzte Gesprächsinitiative des Weltkirchenrates zwischen der russischen-orthodoxen Kirche und den beiden orthodoxen Kirchen in der Ukraine ist vorerst gescheitert. Sie haben sich als Moderator des Zentralausschusses des Weltkirchenrates stark dafür eingesetzt. Was können Sie zu den Gründen sagen?
Bedford-Strohm: Die Situation zwischen den Kirchen in der Ukraine hat sich zuletzt zugespitzt. Das hat auch mit einem Gesetz zu tun, das jetzt ins Parlament eingebracht wird. Dieses Gesetz sieht vor, dass Institutionen, die noch Beziehungen zu Moskau haben, künftig verboten werden sollen. Der ukrainisch-orthodoxen Kirche – einem unserer beiden Gesprächspartner – wird von der ukrainischen Regierung solch eine Beziehung unterstellt. Sie wirft ihr Kollaboration mit Moskau vor. Ich kann das aus den bislang geführten Gesprächen allerdings so nicht bestätigen. Alle, mit denen wir gesprochen haben, haben die russische Invasion scharf verurteilt.
epd: Sehen Sie denn vor diesem Hintergrund noch eine Perspektive für Gespräche?
Bedford-Strohm: Ich hoffe immer noch, dass dieses Gesetzesvorhaben nicht durchgezogen wird! Denn es steht in Spannung mit der Religionsfreiheit. Man muss unterscheiden zwischen den Personen, auf die diese Vorwürfe vielleicht zutreffen, und all den anderen, die genauso ihr Vaterland verteidigen oder deren Söhne sich im Krieg gegen Russland befinden.
epd: Mit Blick auf die Angriffe der Terrororganisation Hamas auf Israel – warum tun sich die internationalen Kirchenbünde Lutherischer Weltbund und Weltkirchenrat so schwer damit, uneingeschränkte Solidarität mit Israel zu bekunden? In jüngsten Stellungnahmen des Weltkirchenrates wurde etwa die Hamas nicht einmal erwähnt.
Bedford-Strohm: Das ist nicht richtig. Die Hamas wird mehrfach erwähnt und dazu aufgerufen, ihre Angriffe einzustellen. Die brutalen und durch nichts zu rechtfertigenden Morde der Hamas verurteilen wir scharf. Wir haben überhaupt kein Verständnis dafür, wenn irgendwo diese brutalen Morde gegen unschuldige Menschen gerechtfertigt werden oder man sich sogar darüber freut. Das stößt mich ab! Und trotzdem darf und muss man auch an die leidenden Zivilisten in Gaza denken.
epd: Werden die Verbrechen der Hamas nicht relativiert, wenn man nicht an erster Stelle die Solidarität mit dem Israelischen Volk ausdrückt?
Bedford-Strohm: Noch einmal: Es gilt jetzt, Leben zu retten, und diejenigen, die Leben zerstören, in die Schranken zu weisen. Das Schlimme ist: Die Hamas missbraucht die Menschen in Gaza als Schutzschilde! Das ist Teil ihres Terrors. Wenn man von bedingungsloser Solidarität mit Israel spricht, dann kann das nur heißen, dass es eine bedingungslose Solidarität mit dem Existenzrecht Israels gibt. Es heißt nicht, dass jede Aktion der israelischen Regierung von uns gebilligt oder unterstützt werden muss. Das humanitäre Völkerrecht gilt für alle Menschen und für jede Regierung.
epd: Verstehen Sie, dass es zumindest Irritationen auslöst, wenn der Weltkirchenrat in seinen Erklärungen die Hamas nicht klar als Aggressor benennt?
Bedford-Strohm: Ich kenne niemanden in der Führung des Weltkirchenrates, der irgendwelche Sympathien für die brutalen Mordtaten der Hamas hegt. Und auch ich habe mich sehr schnell öffentlich in aller Klarheit geäußert. Dass der Weltkirchenrat insgesamt nach Wegen sucht, um die Gewalt zu überwinden, ist nun wirklich nichts Falsches! Denn es ist doch auch keine Lösung, dass wir jetzt einfach dabei zusehen, wie sich die Gewalt immer weiter zuspitzt. Die Palästinenser werden ja auch in Zukunft dort leben. Also braucht man Lösungen. Wir brauchen eine Antwort auf die Frage, was den Menschen in Israel langfristig und dauerhaft Sicherheit geben kann. Sicherheit ist nicht allein militärisch aufrechtzuerhalten. Das geht nur, wenn es einen gerechten Frieden im Heiligen Land gibt.
epd: Hier in Deutschland wurden jüngst Wohnhäuser, in denen jüdische Menschen leben, mit Davidstern markiert. Was heißt das für unsere Gesellschaft in Deutschland?
Bedford-Strohm: Antisemitismus ist keine Meinung. Er ist einfach nur schrecklich. An dieser Stelle fühle ich bedingungslose Solidarität mit den Jüdinnen und Juden. Sie müssen in Deutschland in Frieden und Sicherheit leben können. Deswegen habe ich bei der Gedenkfeier für die Opfer der Hamas-Gräueltaten an der Synagoge in München vor ein paar Tagen auch selber eine Rede gehalten. Ich stehe an der Seite der jüdischen Gemeinde und trete kompromisslos für das Existenzrecht Israels ein!