Artikel teilen:

«Ich könnte die Spülmaschine bedienen»

Erneut zieht es den Bundespräsidenten an den Rand der Gesellschaft: Am Mittwoch besuchte Joachim Gauck die Bahnhofsmission am Berliner Bahnhof Zoo. «Das Land ist so schön, weil es Sie gibt», sagte er den Helfern.

Rolf Zoellner

Berlin (epd). Am Ende versprach er wiederzukommen – nicht als Bundespräsident, sondern als Helfer. «Ich könnte die Spülmaschine bedienen», sagte Joachim Gauck zu dem Leiter der Bahnhofsmission am Berliner Bahnhof Zoo, Dieter Puhl. «Sie sind immer herzlich willkommen», antwortete Puhl.

Freiwillige würden immer gebraucht in der sozialen Einrichtung, in der täglich bis zu 600 Menschen mit Essen und Kleidung versorgt werden, vorwiegend Obdachlose und arme Menschen. Die Einrichtung hat zwölf hauptamtliche und bis zu 150 ehrenamtliche Mitarbeiter.

Am Mittwoch besuchte der Bundespräsident die Bahnhofsmission in der Jebensstraße, die nicht nur unter den geschätzten 4.000 bis 7.000 Obdachlosen Berlins einen exzellenten Ruf als zuverlässige Anlaufstelle für Menschen in Not genießt. Empfangen wurde der 76 Jahre alte Gauck, der in Begleitung seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt kam, unter anderem auch von der Berliner Diakonie-Direktorin Barbara Eschen, Stadtmissions-Vorstand Martin Zwick und dem Vorsitzenden der Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission, Christian Baron. Er verstehe seine Visite durchaus als einen politischen Besuch, sagte der Bundespräsident zu den Mitarbeitern: «Das Land ist so schön, weil es Sie gibt.»

Unterschiedliche Helfer, unterschiedliche Geschichten

Den Bundespräsidenten zog es in seiner im März zu Ende gehenden Amtszeit wiederholt an die Ränder der Gesellschaft. Er suchte Suppenküchen oder Nachtcafés auf, um das Leben der Ausgegrenzten und ihrer Helfer kennenzulernen. «Politiker sind keine gefühllosen Menschen», betont Gauck.

Bei dem ganzen Umgang als Bundespräsident mit Staatsober- und gekrönten Häuptern bekomme er von der bitteren Realität des Lebens auf der Straße im Schloss Bellevue natürlich nicht viel mit. Aber es sei ihm trotzdem nicht völlig fremd: «Ich bin hergekommen, um etwas zu lernen.»

Nach der über einstündigen Visite war Gauck sichtlich beeindruckt von den Helfern, ihren Motiven und den Schicksalen der Gäste, wie die Obdachlosen dort respektvoll genannt werden. Ob die 21-jährige Fotografiestudentin, die seit dem Abitur zweimal die Woche ehrenamtlich in der Bahnhofsmission arbeitet, der Tropenmediziner von der Charitè, der jeden Mittwoch für drei Stunden kommt, oder der Pensionär und frühere Siemens-Topmanager, der nach überstandener Krebskrankheit etwas Gutes tun wollte und seit sieben Jahren mithilft: Ihre Geschichten beeindruckten den Bundespräsidenten.

Viel Elend, viel Glück

Früher seien Obdachlose für ihn nur «Penner» gewesen, heute sei er durch seine Tätigkeit geerdet worden wie nie zuvor, sagte Ludger Rosenau, den in der Bahnhofsmission alle als Lutz kennen. «Man sieht hier viel Elend, aber auch sehr viel Glück», sagte Rosenau. Und die Jebensstraße, wo sich täglich Obdachlose und Stricher drängeln, sei eigentlich eine «Straße der Wunder».

Jetzt komme ihm «das Wasser doch schon sehr weit hoch», kommentierte der Bundespräsident die Schilderungen des Ex-Siemens-Managers. Später spricht er von einem «besonders bewegenden Treffen» mit aufschlussreichen Gesprächen mit Mitarbeitern und Gästen der Einrichtung. Dabei habe er von den Helfern etwas Wichtiges gelernt: «Glückserfahrung durch Zuwendung». «Das ist wie ein Weihnachtsgeschenk für mich», fügte Gauck hinzu.