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Auch Taufwasser hat im Zweifel keine Balken

So mancher geflüchtete junge Erwachsene sieht sich dem Verdacht ausgesetzt, sich nur taufen lassen zu wollen, um sein Asylverfahren zu beschleunigen. Chancen und Herausforderungen für Kirchengemeinden wurden in Werl erörtert

Viele junge Erwachsene wollen sich taufen lassen und am Gemeindeleben teilnehmen. Doch die meisten von ihnen kommen aus Afghanistan, Syrien, aus dem Iran und dem Irak. Sie stehen damit unter dem Verdacht, mit der Taufe eine Entscheidung zugunsten ihres Asylverfahrens anzustreben.
Dies stellt auch die Kirchengemeinden vor Ort vor viele Fragen: Was können sie tun, um diesen Menschen eine Heimat zu bieten? Wie verändern sich Gemeinden oder wie sollten sie sich verändern?
Unter dem Titel „Taufbegehren von Menschen verschiedener kultureller Herkunft – Chancen und Herausforderungen für Kirchengemeinden“ wurde dies bei der Westfälischen Missionskonferenz in Werl lebhaft diskutiert. Mitveranstalter waren das Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe) der westfälischen Kirche und der gastgebende Kirchenkreis Soest.
Der Soester Superintendent Dieter Tometten verspürt bei diesen Menschen „eine tiefe Sehnsucht, als Christ zu einer Mehrheit zu gehören“. Denn gerade im Iran sind Christen eine absolute Minderheit. 99 Prozent der 75 Millionen Einwohner dort seien Muslime, berichtete Pfarrer Ingo Koll. „Offiziell gibt es etwa 100 000 bis 120 000 Christen“, doch in sogenannten „Hauskirchen“ pflegten ebenfalls viele Menschen ihren christlichen Glauben. Schätzungen dazu reichten von 30 000 bis zu einer Million.  „Offizielle Zahlen gibt es natürlich nicht, denn diese Hauskirchen sind illegal und deshalb von Verfolgung bedroht.“ Koll und seine Frau Almut Birkenstock-Koll haben sieben Jahre lang als Pfarrerehepaar in Teheran die „Kirche deutscher Sprache“ betreut.
Bei einer Abkehr vom Islam droht Menschen im Iran sogar die Todesstrafe. Dies hatte das Parlament 2008 beschlossen – allerdings blockiert der Wächterrat bisher die Anwendung des Gesetzes. Dennoch müssen Christen im selbst ernannten Gottesstaat mit vielen Repressalien rechnen. Das erklärt den vielfachen Wunsch, nach der Flucht den Glauben endlich frei und ohne Angst leben zu können.
Pastor Mehrdad Sepehri Fard von der iranischen Gemeinde Paderborn warnt davor, die Taufe als eine Art Freifahrtschein zu sehen. Im Lukas-Zentrum in Paderborn werde nur getauft, wer zuvor einen Taufkursus über vier bis fünf Monate besucht habe. „Wir wollen nicht, dass die Taufe allein zu einem Vorteil beim Asylantrag dient und deshalb genutzt wird. Wer sich taufen lassen will, soll Jesus finden“, betonte Fard.
Diese Position ist nicht unumstritten. Vor allem der Werler Pfarrer Christoph Lichterfeld und der Iran-Seelsorger Balthasar Shapoorian von der niedersächsischen Landeskirche widersprechen dieser Haltung. Die Taufe der Geflüchteten solle an möglichst wenige Bedingungen geknüpft und die Hürden niedrig sein. „Das ist unsere Christenpflicht“, argumentierte Lichterfeld.
Die Diskussion über diesen zentralen Punkt macht deutlich, dass die evangelische Kirche derzeit noch nach dem zielführenden Weg zu diesem Thema sucht. Einfache Antworten gibt es nicht, ist das Thema doch komplex und vielschichtig.  Deshalb fordert Michael Brandt, Vorstand der Westfälischen Missionskonferenz, auch ein klares Signal der westfälischen Landeskirche. Sie müsse sich diesem Thema stellen und dafür auch finanzielle und personelle Ressourcen schaffen. Präses Annette Kurschus wünscht sich,  dass Flüchtlinge in der christlichen Kirche eine Heimat finden können.
Almut Birkenstock-Koll sieht die aktuelle Entwicklung jedenfalls als eine Bereicherung: „Es kommt so richtig Schwung in die Bude. Wir haben allen Grund, uns darüber zu freuen und müssen diese große Herausforderung mit dem Willen zur Integration der Menschen annehmen.“

Margot Bell ist Regionalpfarrerin des Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung der Evangelischen Kirche von Westfalen in den Kirchenkreisen Arnsberg und Soest. Hans-Albert Limbrock ist Öffentlichkeitsbeauftragter des Kirchenkreises Soest.