Mit Appellen zu einer humanen Flüchtlingspolitik hat die Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) begonnen. Im Mittelpunkt der politischen Debatte stünden derzeit „Abschreckung und Abschiebung: mehr Grenzkontrollen, mehr Rückführungen, die Streichung von Sozialleistungen und gleich des ganzen Grundrechts auf Asyl“, kritisierte die amtierende EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs am Sonntag in Würzburg. Zuvor hatte der bayerische Landesbischof Christian Kopp im Eröffnungsgottesdienst gesagt, alle Menschen bräuchten das Gleiche: ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen, ruhige Nächte und Schlaf ohne Sirenen.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte in einem Grußwort an das oberste evangelische Kirchenparlament, trotz aller Debatten über Migration und Einwanderung dürfe man sich in Deutschland nicht vom Grundrecht auf Asyl und dem Schutz politisch Verfolgter verabschieden. Hätte es in den 1930er Jahren ein Land mit einem solchen Asylrecht gegeben, wie es das heute in der Bundesrepublik Deutschland gebe, „dann wären nicht sechs Millionen Juden zum Opfer des Menschheitsverbrechens Schoa geworden“.
Migration und Menschenrechte sind das Schwerpunktthema der diesjährigen Tagung des Kirchenparlaments. Die 128 Delegierten beraten bis Mittwoch in Würzburg. Auf der Tagesordnung stehen auch die Diskussion über Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt sowie Wahlen für die Leitungsgremien der EKD. Fehrs möchte sich ein Jahr nach dem Rücktritt ihrer Vorgängerin Annette Kurschus für die nächsten drei Jahre in das Vorsitzamt wählen lassen.
Die Hamburger Bischöfin Fehrs sagte zum Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition, sie hoffe, dass Deutschland „politisch wieder Tritt fasst“. Demokratie lebe von stabilen Institutionen wie den Kirchen: „Aber sie lebt auch von Vertrauen und von der Hoffnung, dass im zivilen Streit die beste Lösung gefunden werden kann.“
Nach den Worten von Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich braucht Demokratie mehr als Haltung und Appelle. „Es liegt an uns, wie wir Demokratie mit Leben füllen“, sagte sie. Die Demokratie gerate unter Druck, zeige ihre Verletzlichkeit in neuer Dimension, mahnte Heinrich: „Steigende Zustimmung für Populistinnen und Populisten, ein Klima der Angst und der Gewalt und wachsende rechtsextreme Kräfte in den Parlamenten. Daran will ich mich nicht gewöhnen.“
Der Umgang mit sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche bleibt aus Sicht der amtierenden Ratsvorsitzenden Fehrs eine große Herausforderung. „Wir versuchen nach Kräften, Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, gerecht zu werden“, sagte sie in ihrem Bericht an die Synodalen. Fehrs räumte ein, beim Bemühen glaubwürdig aufzuarbeiten und systemische Gefahren zu erkennen, „machen wir auch Fehler“.
Fehrs ging auch auf den Rücktritt von Annette Kurschus als Präses der westfälischen Kirche und EKD-Ratsvorsitzende ein. Kurschus hatte die Ämter im vergangenen November niedergelegt. Auslöser waren Vorwürfe einer mangelhaften Kommunikation in einem mutmaßlichen Fall sexuellen Fehlverhaltens eines Bekannten. Die Staatsanwaltschaft stellte die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Mann ein, da die mutmaßlichen Missbrauchsfälle entweder verjährt oder die Betroffenen damals nicht mehr minderjährig waren.
Die Krise im vergangenen Jahr habe alle an die Grenzen gebracht, sagte Fehrs. „Im Rückblick müssen wir sagen: Wir haben alle Fehler gemacht – nicht allein Annette Kurschus -, insbesondere im Bereich der internen Kommunikation“, räumte Fehrs ein und dankte Kurschus für ihren Einsatz für die EKD. Kurschus habe Verantwortung übernommen, aber sie sei nicht allein verantwortlich für die Entwicklungen im vergangenen Jahr.