Vor dem Bund-Länder-Gipfel warnen Organisationen und andere Stimmen eindringlich vor Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU. Auch die Debatte um mögliche Abschiebungen nach Afghanistan hält an.
Vor dem Bund-Länder-Gipfel und dem Weltflüchtlingstag am Donnerstag wenden sich rund 300 Organisationen und Initiativen gegen die Verlagerung von Asylverfahren ins Ausland. “Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht”, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten offenen Brief. Aufnahme und Teilhabe von Geflüchteten funktionierten, “wenn alle an einem Strang ziehen und der politische Wille vorhanden ist”. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefs der Länder kommen am Donnerstag zusammen, von Mittwoch an tagt zudem die Innenministerkonferenz.
Die Unterzeichner des Schreibens werfen dem Kanzler und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vor, ausgerechnet am Weltflüchtlingstag (20. Juni) die Idee der Auslagerung des Flüchtlingsschutzes aus Deutschland und Europa in Drittstaaten zu beraten. Solche Pläne funktionierten in der Praxis nicht, seien extrem teuer und stellten eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar. Sie würden absehbar zu Menschenrechtsverletzungen führen. Auch lösten solche Vorhaben bei Geflüchteten oft große Angst aus und erhöhten die Gefahr von Selbstverletzungen oder Suiziden.
Zu den Unterzeichnern des Briefs gehören unter anderem Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International und Oxfam, aber auch viele kirchliche Organisationen wie die Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt oder die Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie.
Auf der Innenministerkonferenz will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach eigenen Angaben vertraulich über Verhandlungen mit verschiedenen Staaten informieren, die Abschiebungen nach Afghanistan wieder möglich machen sollen. Entsprechende Gespräche zur Rückführung von schweren Straftätern und Gefährdern bestätigte die Ministerin der “Neuen Osnabrücker Zeitung”. Es gehe ihr darum, “dass die Bundespolizei die dafür verantwortlichen Bundesländer schnellstmöglich wieder bei Abschiebungen nach Afghanistan unterstützen kann”.
Ziel sei es, Gewalttäter konsequent abzuschieben, wenn sie nach einer Haftstrafe in Deutschland wieder freikommen, so Faeser. Einem Bericht des “Spiegel” zufolge soll es bereits Gespräche mit Usbekistan, einem Nachbarland Afghanistans, gegeben haben. Direkte Verhandlungen mit den islamistischen Taliban lehnt die Bundesregierung bislang ab.
Der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße sieht mögliche Abschiebungen nach Afghanistan kritisch: “Die Bundesrepublik unterhält aus guten Gründen weder zu den Taliban in Afghanistan noch zum Assad-Regime in Syrien diplomatische Kontakte. Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien sind daher – aus praktischen und grundsätzlichen Erwägungen – überaus kritisch zu betrachten”, sagte der Vorsitzende der Migrationskommission der Bischofskonferenz der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Heße sprach sich am Dienstagabend bei einem Sommerfest in Hamburg auch gegen eine mögliche Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten aus. Der Hamburger Erzbischof forderte zugleich einen insgesamt menschlicheren Umgang mit Geflüchteten: “Ich würde mir wünschen, dass die aktuelle Debatte zur Flüchtlingspolitik weniger von Angst geleitet würde, sondern dass die vielen Nöte durch unsere europäische Solidarität aufgefangen würden.”