BERLIN – Syrien, Afghanistan oder Irak: Die Ländernamen haben sich vielen Europäern eingeprägt. Hunderttausende Menschen aus diesen Konfliktregionen kommen über Meer, Land oder Luft in die Europäische Union. Die „Flüchtlingskrise“, wie sie vielerorts genannt wird, beschäftigt Politik und Gesellschaft täglich. Sudan, Südsudan, Zentralafrikanische Republik oder Burundi sind Namen, die selten fallen. Dabei spitzen sich die Krisen dort weiter zu, und die Bevölkerung leidet massiv. Aber die Menschen von dort kommen nicht nach Europa. Sie fliehen in Nachbarländer oder bleiben in der Konfliktregion. Die Krisen schwelen abseits der Aufmerksamkeit.
Millionen Menschen auf der Flucht
Im Spätherbst 2015 reiste Papst Franziskus in die Zentralafrikanische Republik – er mahnte die Religionen und Volksgruppen zum Frieden und forderte ein Ende der Kämpfe zwischen den verfeindeten Milizen. Seit dem Sturz von Präsident Francois Bozize vor rund zwei Jahren bekriegen sich in der Region die vorrangig muslimischen Seleka- und die christlichen Anti-Balaka-Milizen. Jeder zweite der knapp fünf Millionen Einwohner ist auf der Flucht. Über die Zahl der Toten gibt es nur Schätzungen.
Ein Schauplatz gleich mehrerer unüberschaubarer Konfliktherde bleiben der Sudan sowie der Nachbarstaat Südsudan. Ärzte ohne Grenzen warnt im Südsudan vor einer „beispiellosen humanitären Krise“ und Hungersnot. Die Gewalt ufere aus. Im besonders betroffenen Bundesstaat Unity kommt es nach Berichten des Hilfswerks täglich zu Entführungen, Massenvergewaltigungen und Tötungen.
Trotz eines im August geschlossenen Friedensvertrags bekämpfen sich Rebellen und Regierungstruppen weiter. Barbara Schirmel von Misereor blickt mit wenig Zuversicht auf die Entwicklung in der Region. „Ich habe das Gefühl, dass sich das nicht so schnell befrieden lässt.“ Die Nachbarländer hätten in dem Konflikt im ölreichen Südsudan ihre ganz eigenen Interessen, und es gebe kaum gebildeten Nachwuchs, der das Land politisch von innen stabilisieren und wieder aufbauen könnte.
Im ganzen Land gibt es Schirmel zufolge 123 Ärzte und die höchste Rate an Müttersterblichkeit weltweit. Für Hilfswerke werde die Arbeit zudem stetig schwieriger: Es gebe Überfälle auf Hilfskonvois und keinen funktionierenden Sicherheitsapparat. Die Fähigkeit, Konflikte ohne Waffen zu lösen, sei in dem Land verloren gegangen.
Auch der Nachbarstaat Sudan ist krisengeplagt. So lässt die Regierung in der Hauptstadt Khartum keine offiziellen Hilfen für die unterversorgte, abgeschnittene Bevölkerung in den Nuba-Bergen zu.
Der Darfur-Konflikt ist seit zehn Jahren unbefriedet und hat rund 2,6 Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Der emeritierte sudanesische katholische Bischof von El Obeid, Macram Max Gassis, wird wütend, wenn er über die politischen Kräfte in seiner Heimat spricht: „Die islamisch-fundamentalistische Regierung in Khartum glaubt, ein 'göttliches Mandat' zu haben und will über alle Menschen regieren. Das ist utopisch.“
Sudan: „Wir sind die vergessene Nation“
Der Sudan sei ein multiethnisches, multikulturelles und multireligiöses Land. „Ein solches Land kann nicht regiert werden, wenn die verschiedenen Gruppen nicht ihre Rechte haben“, betont Gassis. Zugleich beklagt er fehlendes Interesse und Hilfe der Weltgemeinschaft. Sie wollten, so sagt er, nicht sehen und hören, was im Sudan passiert: „Wir sind die vergessene Nation.“
1200 Kilometer südlich ist der Konflikt erst 2015 vollends entbrannt. Nach der illegitimen Wiederwahl von Präsident Pierre Nkurunziza in Burundi warnen Beobachter vor einem Völkermord. Staatliche Sicherheitskräfte und Teile der Opposition liefern sich blutige Gefechte. Binnen weniger Monate sind nach Angaben von Menschenrechtlern Hunderte Menschen getötet worden und mehr als 200 000 geflohen.