Von Veit Hoffmann
In was für einer Zeit leben wir?! Mit erschreckender Grausamkeit veranstalten Religionsfanatiker im Irak und in Syrien Lynchorgien. Sie kreuzigen, brandschatzen, foltern. Wer soll das noch verstehen? Sunniten, Schiiten, ISIS … Der Orient ist in Exzessen zerrissen, es verlieren sich die Grundregeln jeglicher Zivilisation. Wie auf einem Basar aus Ali Babas Zeiten haben sich deshalb neue Konstellationen gefunden. So agieren die Erzfeinde USA und Iran gemeinsam gegen den maßlosen Fanatismus der ISIS. Saudi Arabien steht Israel gegen die Hamas bei …
Hin- und hergerissen zwischen Aufruhr und Abscheu über den „Islamischen Staat“ fehlen mir die Worte. Die Klage des Propheten Jesaja erklingt in meinen Ohren: „Den Weg des Friedens kennen sie nicht, und auf ihren Wegen ist kein Recht. Ihre Pfade haben sie krumm gemacht, niemand, der darauf geht, weiß, was Frieden ist“ (59.8). Es ist, als ob Jesaja den bodenlosen Abgrund des „Islamischen Staates“ vorhergesehen hat.
Der Blick in die Ukraine ist ebenso deprimierend. Als hätte jemand die Geister aus Dostojewskis Kellergeschoss freigelassen. Ein Problem überlagert das nächste. Niemand schaut mehr richtig durch. Ein absurder Konflikt, bei dem eine Seite sogar behauptet überhaupt nicht beteiligt zu sein. Ich denke an die verschlungenen Treppen in einem Labyrinthgemälde von Piranesi.
Da erscheint mir die Kindheit und Jugend manchmal wie ein Traum. Vieles war unbeschwerter und leichter. Nein, die Welt war nicht friedlicher. Ich erinnere mich sehr wohl an Bilder aus Biafra, aus Vietnam, den USA und Kambodscha. Doch es waren wenige Bilder und wenige Fernsehprogramme, die uns zur Verfügung standen. Zudem war Sendeschluss mit Fernsehtestbild. Es gab keine permanente Bilderflut – bis die Flatrate über uns kam wie Schnaps über einen Steinzeitstamm. Jetzt muss alles in Echt-Zeit geliefert werden. Ein nicht endender Fotofluss auf Smartphones, Tablets und PC´s erreicht uns und hält die Erregungskurve oben. Was gilt ist Geschwindigkeit, Klicks, Benutzerreichweite, Auflage. Die gelieferten Bilder und Texte überbieten sich. Es fehlt Ruhe, Gelassenheit, Analyse.
Doch was soll das Klagen? Solange man nicht selbst etwas tut, wird das Leben durch andere Menschen und Dinge bestimmt, die darin auftreten. Ich schalte den Achtzylinderrummel der Medien ab und gehe mit dem Hund in den nahen Wald. Ein herrlicher Altweibersommer taucht die Bäume und den nahen Müggelsee in schimmerndes Licht. Ein Fischreiher fliegt vorbei, den Hals lang nach vorn gereckt, die Beine baumeln herab. Ich denke nicht mehr an die Gräuelbilder, sehe nur die Natur. So hat sich Gott vielleicht seine Schöpfung vorgestellt! Friedlich, ruhig, harmonisch.