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Zum Tod von Tschechiens Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg

Er hat Geschichte geschrieben und konnte Geschichten erzählen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs machte Karel Schwarzenberg in der damaligen Tschechoslowakei Karriere. Doch er war ein Weltbürger.

Mit seinem Alter kokettierte er gern einmal. Als er im Sommer 2020 seinen Abschied aus der tschechischen Politik ankündigte, meinte Karel Schwarzenberg: “Schon heute bin ich der älteste Abgeordnete und wirklich ein alter Greis.” Bezogen auf das biologische Alter des damals 82-Jährigen mochte das zutreffen. Aber geistig präsentierte er sich zu dem Zeitpunkt immer noch frischer als manch einer der jüngeren, oft nationalistisch gesinnten Abgeordneten, die heute die Parlamente vor allem im Osten Europas bevölkern.

In der Nacht zu Sonntag ist Schwarzenberg nun mit 85 Jahren gestorben. Soviel ist jetzt schon sicher: Der Ehrenvorsitzende der oppositionellen Partei TOP 09 hinterlässt nicht nur in der politischen Landschaft Tschechiens eine schmerzliche Lücke.

Der Mann hatte etwas zu sagen: Ob im Kalten Krieg als Präsident der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte oder als rechte Hand von Vaclav Havel nach der “Samtenen Revolution” von 1989. Schwarzenberg, der meist einer Fliege den Vorzug vor einer Krawatte gab, pflegte die Freiheit im Denken. Ohne die in Twitter-Zeiten grassierende Lust an der plumpen Provokation, dafür aber stets gewürzt mit einer Prise Ironie und Humor. Ein Staatsmann und Schelm.

Karl Johannes Nepomuk Norbert Friedrich Antonius Wratislaw Mena Fürst zu Schwarzenberg, Graf zu Sulz, gefürsteter Landgraf im Kleggau, Herzog von Krumau entstammte einem uralten Adelsgeschlecht, dessen Geschichte sich bis ins 13. Jahrhundert und weiter zurückverfolgen lässt. Vom fränkischen Scheinfeld mehrten die Schwarzenbergs ihren Besitz und ihren Einfluss. Böhmen wurde zum Kernland.

Schwarzenberg selbst hatte seine eigene Theorie, warum der Adel so lange am Ruder blieb. Die Auslese sei in diesen Kreisen nun einmal besonders streng gewesen, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Wer je in einer Burg oder auf einem Schloss aufgewachsen ist, weiß, wie kalt und zugig es im Winter sein konnte. Das konnten nur die Härtesten überleben.” Erst das 20. Jahrhundert mit seinen Weltkriegen brachte die Vorherrschaft des Adels zu Fall.

Das erfuhr Schwarzenberg am eigenen Leib. Geboren wurde er 1937 in Prag, noch bevor die deutsche Wehrmacht die “Goldene Stadt” besetzte. Mit Kriegsende kamen der Kommunismus und der Verlust der böhmischen Besitzungen. Um dem wachsenden Druck zu entgehen, siedelte die Familie Ende 1948 nach Wien über. Ein prägendes Erlebnis für den knapp Neunjährigen – und, wie er später trocken bemerkte, ein Grund dafür, warum ihn Politik sein Leben lang interessieren sollte, denn: “Die Politik hat sehr früh begonnen, sich mit mir zu beschäftigen.”

Es sollte freilich bis in die 80er Jahre dauern, ehe aus dem “freischaffenden Politiker” und Lebemann Schwarzenberg eine feste Größe auf internationalem Parkett wurde. 1985 übernahm er den Vorsitz der Internationalen Helsinki-Föderation und wurde zu einer Art rasendem Vermittlungsausschuss zwischen Ost und West. Sein roter Porsche, schreibt Biografin Barbara Toth, “machte im Schnitt rund 60.000 Kilometer pro Jahr, das meiste davon auf holprigen Oststraßen”.

Damals lernte Schwarzenberg Vaclav Havel kennen. “Wir haben viel miteinander gelacht – aber auch sehr viel gearbeitet”, umschrieb er im KNA-Interview die besondere Beziehung zu dem Literaten und Bürgerrechtler, der nach der Wende 1989 Staatspräsident der Tschechoslowakei wurde. Als dessen Büroleiter – “Kanzler” – zog Schwarzenberg auf der Prager Burg ein. Nach der Spaltung des Landes in Tschechien und Slowakei 1993 war er von 2007 bis 2009 und noch einmal von 2010 bis 2013 tschechischer Außenminister.

Im eigenen Land erfreute sich “knize” (“der Fürst”) bis zuletzt großer Beliebtheit. Legendär waren seine Wahlkämpfe. 2013 ließ er sich auf Plakaten in James-Bond-Pose ablichten. “Wir haben die gleiche Schwäche für langhaarige Wesen und für einen guten Whisky oder Martini”, kommentierte Schwarzenberg im KNA-Gespräch. “Außerdem teilen wir die tiefe Überzeugung, dass man das Böse bekämpfen muss.”