Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat davor gewarnt, auf kommunaler Ebene automatisch Vorschläge der AfD abzulehnen. Zugleich dürften andere Parteien nicht auf “Stimmungslagen” der AfD eingehen, sagte Schuster in einem Interview der Welt im Zusammenhang mit der Debatte um Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz. Auch müsse eine “Brandmauer” stehen und auf alle Vorschläge der AfD mit einem kritischen Blick geschaut werden.
Schuster: nicht auf Stimmungslagen der AfD eingehen
“Auf lokaler Ebene kann ein vernünftiger Vorschlag nicht nur deshalb abgelehnt werden, weil er von der AfD kommt. Auch kann ich mir vorstellen, dass es Mandatsträger von der AfD gibt, die auf kommunaler Ebene tatsächlich auch sinnvolle Vorschläge unterbreiten”, betonte Schuster. “Aber: Sich hier mit der AfD gutzustellen und mögliche Kooperationen vorzubereiten, gar auf Stimmungslagen der AfD einzugehen, ist in meinen Augen der vollkommen falsche Weg.”
Schuster sagte, er sehe nicht alle AfD-Anhänger als rechtsradikal an. “Es gibt einen Prozentsatz, der aber tatsächlich rechtsradikal ist.” Schuster verwies auf unzufriedene Wähler: “Menschen, die mit der Politik der derzeitigen Regierungskoalition aus verschiedenen Gründen nicht einverstanden sind, aber auch ein Gegenangebot von der Union vermissen.” Diese Gruppe sei die Mehrheit. “Sie sollten sich fragen, ob all die Probleme und Unsicherheiten, die sie haben, es wirklich rechtfertigen, eine solche Partei zu wählen.”
Jüdisches Leben in Gefahr – Kirchen sollten sich mehr einsetzen
Sollte es eine Regierungsbeteiligung der AfD insbesondere auf Bundesebene geben, müsse man sich von jüdischer Seite überlegen, “ob jüdisches Leben in diesem Land noch gewollt ist”, sagte Schuster. Religionsfreiheit sei für die Partei “ein völliges Fremdwort”, sie kämpfe bewusst dagegen an, vor allem, wenn sie von muslimischer oder jüdischer Seite wahrgenommen werde.
Ein erfolgreiches Verbotsverfahren würde ihn sehr freuen, “aber bei den Hürden, die Verfassungsgerichte vor ein Parteiverbot stellen, sehe ich das eher skeptisch”, erklärte Schuster. Ein abgelehntes Verbotsverfahren würde das Gegenteil bewirken, “die AfD würde als vermeintlicher Märtyrer nur weiter gestärkt werden.”
Der Zentralratspräsident empfahl Parteien, von sich aus Themen zu setzen, Probleme anzusprechen und Lösungen anzubieten. “Sie dürfen dabei weder von der AfD getrieben werden, noch aus Angst vor einer möglichen Vereinnahmung Probleme ignorieren.” Auch müssten sich die Kirchen stärker engagieren.