2015 und 2016 kamen weit mehr als eine Million Schutzsuchende nach Deutschland, in ein Land, das auf einen solchen Zustrom nicht vorbereitet war. Die Situation, so lässt sich rückblickend sagen, überforderte nicht selten Politik, Verwaltung und Teile der Gesellschaft. Erhebliche Auswirkungen waren auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt sowie in Schulen und Kitas spürbar. Denn hier traten bereits vorher bestehende Schwachstellen in der vorhandenen Infrastruktur für jedermann sichtbar zutage – allen voran in den Erstaufnahmeeinrichtungen.
„Der Sommer 2015 war ein wichtiger Moment im Umgang mit Fluchtmigration in Deutschland und der EU – humanitär, politisch und institutionell“, sagt Ramona Rischke, Migrationsforscherin am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM): „Das darauf folgende Engagement, die Debatten, Regelverschärfungen, gesellschaftliche Errungenschaften und Brüche machen deutlich: Fluchtmigration berührt den Kern demokratischer Gesellschaften.“ Um für die Zukunft besser gerüstet zu sein, brauche es „anhaltende und auf Langfristigkeit ausgelegte Investitionen in die Asyl-, Aufnahme- und Integrationsinfrastrukturen“, empfiehlt die Expertin.
Ihr Kollege Niklas Harder bestätigt das, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) aber auch: „Es wäre an der Zeit, sich als Gesellschaft klar zu werden, dass wir schon viel mehr geschafft haben als früher. Darauf kann man auch stolz sein. Und dann versuchen, bei der Integration trotzdem Stück für Stück noch besser zu werden.“
Für eine gelingende Integration der Geflüchteten ist die Jobvermittlung zentral. Anders als vor zehn Jahren, als sie zunächst für steigende Arbeitslosenzahlen sorgten, ist inzwischen die erfolgreiche Arbeitsaufnahme vieler Geflüchteter nachweisbar, erklärt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Doch während sich die geflüchteten Männer 2022 sieben Jahre nach dem Zuzug mit einer Erwerbstätigenquote von 75 Prozent bereits stark an das durchschnittliche Niveau der männlichen Bevölkerung in Deutschland angenähert hatten (81 Prozent), ist die Lage bei den Frauen deutlich schlechter. Der Anteil der erwerbstätigen geflüchteten Frauen lag nach derselben Zeit mit 29 Prozent noch deutlich unterhalb des Durchschnitts der Frauen in Deutschland (72 Prozent).
Fazit des IAB: „Insgesamt haben sich die Erwerbstätigenquoten der 2015 zugezogenen Geflüchteten schon stark an das Niveau anderer Migrantengruppen und der Durchschnittsbevölkerung angenähert.“ Denn: „Die Geflüchteten verbessern in dieser Zeit ihre Deutschkenntnisse, erreichen höhere Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse, lassen zunehmend im Ausland erworbene berufliche Qualifikationen anerkennen und bauen persönliche Netzwerke auf, die die Arbeitsmarktintegration erleichtern.“
Zur Wahrheit gehört laut IAB aber auch: Ohne den starken Flüchtlingszuzug vor zehn Jahren wäre der deutsche Arbeitsmarkt kurzfristig von geringerer Arbeitslosigkeit geprägt gewesen. 2016 hätte es im Jahresschnitt etwa 130.000 weniger Arbeitslose gegeben. Der erste deutliche Anstieg bei den Jobsuchenden seit dem Jahr 2013 sei ausschließlich auf den Flüchtlingseffekt zurückzuführen, hieß es.
Zugleich wiegt aber positiv, dass der Arbeitsmarkt durch den Zustrom vieler Geflüchteter mehr potenzielle Arbeitskräfte zur Verfügung hatte. Oder, wie es das IAB formuliert: „Negative kurzfristige Effekte auf Beschäftigungsquote und Arbeitslosigkeit sind empirisch belegt; langfristig kann das Bild durch Gelingen der Integration ins Positive drehen.“ Und schon im ersten Monitoringbericht der Bundesregierung zur Integration von Geflüchteten aus dem Jahr 2021 heißt es: „Die Langzeitperspektiven gelten als günstig, insbesondere wenn Bildungs- und Integrationsangebote konsequent fortgeführt und strukturelle Hürden weiter abgebaut werden.“