Über Monate wurden Ureinwohner im nördlichen Teil Grönlands bei deren alltäglichem Leben begleitet – entstanden ist dabei ein außergewöhnlich intensiver und menschlicher Dokumentarfilm
Selten bekommen Inuits im Norden Grönlands Besuch, noch dazu von einem deutschen Kamerateam. Es ist schwierig, mit den Ureinwohnern der Polarregion vertraut zu werden und dadurch hautnah über Inuits, die indigenen Völkergruppen der Arktis, zu berichten (Inuk ist die Einzahl und heißt Mensch). Der Dokumentarfilm “Grönland – Leben mit den Inuit” schafft das und ist die 30-minütige Kurzform einer Reihe, die aus vier Teilen je 25 Minuten besteht: Der intensive und menschliche Dokumentarfilm ist am 17. Dezember um 22.15 Uhr im ZDF-Programm zu sehen und die Filmreihe ab dann in der ZDFmediathek verfügbar.
Alles begann damit, dass Josefin Kuschela auf einer privaten Reise in Qaanaaq “gestrandet” war und einen ganzen Winter mit einigen der in der Metropole Nordgrönlands lebenden 600 Menschen verbracht hatte. Fasziniert von den einzigartigen Erlebnissen entschloss sich die Chemnitzer Filmemacherin, das Leben der Inughuit, einer Gruppe von indigenen Grönland-Inuit, filmisch zu dokumentieren. Dafür reiste Kuschela mit ihrer Kamera und einem Assistenten zurück in den kleinen Ort Qaanaaq – mit Kirche, Schule und Supermarkt.
Die Tour von Deutschland aus dorthin dauert laut Kuschela mindestens vier Tage. Sechs Monate lang hat sie für die Filmaufnahmen gemeinsam mit Inughuits verbracht, lebte bei 35 Grad Minus in einer schlichten Ein-Zimmer-Holzhütte. Die Regisseurin taucht ein in die Lebenswelt und dokumentiert den enormen Wandel, dem diese ursprüngliche Gesellschaft ausgesetzt ist – durch den Klimawandel, aber auch durch Technik. Westliche Einflüsse schaffen ein Leben zwischen Eisbär-Jagd und Smartphone.
Seit mehr als 4.000 Jahren ist die Region besiedelt und die Menschen finden in der öden Kälte ein Auskommen. Qaanaaq bedeutet: ausgehöhlt von Wind und Eis. Im Film vorgestellt wird Naja, die sagt: “Ich wollte nie Frau eines Jägers sein, weil mir die damit verbundene Arbeit sehr schwer erschien.” Naja wohnt zu siebt in einem Holzhäuschen mit zwei Zimmern. Während sie vor den staunenden Augen ihres ein paar Monate alten Babys daheim mit einem Spachtel bei einem Seehund das Fleisch vom Fell abtrennt, sagt sie: “Aber nun mag ich es, mit den gejagten Tieren zu arbeiten.”
Mit dem Fleisch werden Familie und Hunde ernährt, das Fell der Beute wird wie der Schädel verkauft – alles wird verwertet. Eine weitere Station der Doku ist Savissivik, das abgeschiedenste und traditionellste Dorf Grönlands. Dort trifft das Filmteam auf Qaerngaaq, den Dorfältesten von Savissivik, der sein Leben lang Jäger war, aber nun “viel zu alt dafür sei”, und dem es in der eisigen Einöde einzig an seiner verstorbenen Frau fehlt. Besonders sind Filmaufnahmen bei der gemächlichen Pirsch nach Schneehühnern und sogar bei der gefährlichen Jagd auf einen Eisbären durfte das Filmduo – beim Sprint mit dem Hundeschlitten – dabei sein.
Es gibt laut Hundeliebhaberin Kuschela sehr viele Dinge, die man in dieser Gegend lernt – auch der Grönlandhund ist eine besondere Rasse. Neben dem Umgang mit der Kälte, der ewigen Dunkelheit und auch des ewigen Sonnenlichts, ist es vor allem die Mentalität der Leute. Vier Monate geht die Sonne nie auf, vier Monate nie unter. “Ein Wort ist die Antwort auf fast jede Frage. Darf ich dich filmen? Fährst du morgen jagen? Kann ich mitkommen? – ,vielleicht”. Für uns strukturgewohnte Deutsche zunächst eine schwer verdauliche Herangehensweise. Obwohl es jede Planung unmöglich macht, lehrt es doch, im Moment zu leben und mit dem ,Flow'” zu gehen”, schildert Josefin Kuschela ihre Erfahrung der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Das ZDF-Filmprojekt “Grönland – Leben mit den Inuit” gehört zu den Ausnahmeproduktionen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Nicht allzu oft gelingt das filmische Kunststück, durch Vertrauen und behutsame Beobachtung der Menschen in ihrem Lebensraum, deren Lebensfreude und Sorgen gleichfalls zu beleuchten. Dabei wird deutlich, das Leben der Inuits ist von Generation zu Generation geprägt von Traditionen. Beleuchtet werden auch Mittel gegen die Gefahren fürs naturbelassene Dasein, wie Exportverbote für Felle von Eisbären und Regulierungsquoten von Grönlands Regierung für den Fischfang. Trotzdem will David lieber Mechaniker in Dänemark werden – der Schüler hat noch nie einen Baum gesehen und sagt: “Ich würde mir hier eine vielfältigere Natur wünschen!”