Nach dem tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) europaweit Verbesserungen in der Flüchtlingspolitik angemahnt. Das bestehende Dublin-Abkommen, das Rückführungen von Flüchtlingen in das EU-Land ihrer ersten Registrierung ermöglicht, müsse konsequenter angewendet werden, sagte Wüst am Freitag in Düsseldorf.
„Ziel muss sein, dass die europäischen Systeme funktionieren“, betonte der Ministerpräsident. Denn jeder, der nach Deutschland wolle, komme aus einem sicheren EU-Land. Doch bislang gebe es Probleme sowohl bei der Rückführung, weil zu viele Hindernisse für Abschiebungen existierten, als auch Lücken bei der Erstregistrierung von Flüchtlingen, die von der EU-Außengrenze einreisen wollten.
„Niemand will dauerhafte Grenzkontrollen, aber ein Außengrenzschutz war vereinbart. Wer kein Recht hat, dauerhaft hier zu sein, soll erst gar nicht kommen“, sagte Wüst. Notwendig seien deshalb lückenlose Kontrollen, Zurückweisungen bereits an den EU-Außengrenzen sowie ein funktionierendes System, das die Verteilung ankommender Flüchtlinge regelt. Doch die Bereitschaft dafür scheine es nicht zu geben. Man müsse in Europa aber dahin kommen, „was verabredet ist“.
Der Tatverdächtige von Aschaffenburg habe seinen Schutzstatus missbraucht und sei ausreisepflichtig gewesen, kritisierte Wüst. Aschaffenburg zeige, was bereits bei der tödlichen Messerattacke von Solingen im vergangenen Sommer deutlich geworden sei: „Das Dublin-System ist dysfunktional. Wir brauchen einen Anstieg an Rückführungszahlen.“
Bei dem Messerangriff in Aschaffenburg waren am Mittwoch ein zweijähriger Junge und ein 41-jähriger Mann getötet worden. Der mutmaßliche Täter ist ein 28-jähriger Afghane, der nach Angaben der Behörden ausreisepflichtig war. In Solingen hatte ein mutmaßlicher Islamist, dessen Abschiebung gescheitert war, während eines Stadtfestes im August drei Menschen mit einem Messer getötet.
Auf der traditionellen Pressekonferenz des Ministerpräsidenten zum Jahresauftakt machte Wüst auch seine Sorge angesichts der erneuten US-Präsidentschaft von Donald Trump deutlich. Die von Trump angekündigten Strafzölle für Waren aus der EU wären auch für die Wirtschaft in NRW eine Belastung: „Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen.“
Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl und die zunehmend härter werdende politische Auseinandersetzung warnte Wüst vor einem Vertrauensverlust der Bürger in die Demokratie. Vor allem die Verlagerung des öffentlichen Diskurses in die Sozialen Medien und damit ins Digitale habe die „Diskursethik“ verändert. Es gehe mehr um „kurzatmige Knalleffekte“ als um echte Diskussion. Die Folge sei, dass die Demokratie zunehmend einen „schweren Stand“ habe: „Was wir im analogen Raum an Diskussionskultur entwickelt haben, muss auch im digitalen Raum gelten“, mahnte der Ministerpräsident. Wichtig sei, dass die Auseinandersetzung fair bleibe. Der US-Wahlkampf sollte deshalb kein Beispiel sein. „Wir sollten selbstbewusst eine andere politische Kultur pflegen.“