Bergedorf / Wittenberg. „Wenn ich male, ist das wie Meditation“, sagt sie. Petra von Langsdorff versenkt sich an ihren Arbeitstagen bis zu zehn Stunden in ihre Bilder, malt mit schwungvollen Pinselstrichen feine Gesichter. Liebliche Augen, Nasen und Münder erscheinen auf großen, einfachen Papierbögen und Leinenstoff. Sie zeigen Figuren wie Maria, Abraham, Ismael – und Engel, die Gottesboten aller Religionen.
Die 81-Jährige begleitet den Dialog der Weltreligionen in allen Farben. So prangt beispielsweise im Zentrum eines zehn Meter langen Leinentuches Mose. Über ihm sind die Steintafeln, auf die die Zehn Gebote eingemeißelt sind: Mose, der Mittler von Gottes Gesetzen. Oberhalb schwebt die indische Göttin Kali: Sie steht für Gerechtigkeit. „Interreligiöse Kommentare“ nennt von Langsdorff diese Werke.
Worte brauchen Farben
Zugleich sucht die Malerin seit den 1990er-Jahren den aktiven Austausch mit allen Weltreligionen, ob an der Universität, der Akademie der Weltreligionen oder in Dialoggruppen. Sie selbst leitet einen interreligiösen Gesprächskreis an der Christuskirche in Eimsbütel. „Da wird heftig gestritten“, sagt sie mit einem gewissen Stolz – Auseinandersetzungen hat von Langsdorff nie gescheut. Auf das gemeinsame Gespräch komme es an.
Ein Schlüsselmoment war für sie, als Professor Olaf Schumann, Ökumeniker und Religionswissenschaftler, einräumte, dass Worte im interreligiösen Dialog nicht ausreichten. „Ich habe mich sofort gemeldet und gefragt, ob man nicht das Bild dazutun müsse“, erinnert sich von Langsdorff. Der Professor gab ihr recht. Die Worte brauchen Farben.
„Ich mache alles wie ein Kind“, sagt die umtriebige Malerin – neugierig und intuitiv ist sie dabei, wenn Muslime das Fasten brechen oder Juden Sabbat feiern. Neugierig und intuitiv widmet sie sich auch ihren Bildern. So schildert sie, wie sie beispielsweise ein Kreuz – und daneben die Kaaba, das Allerheiligste in der Moschee von Mekka, malte. „Ich habe kurz gezögert und mich gefragt: Warum mache ich das? Aber dann ließ ich es so.“ Alles fließe durch sie hindurch: Motive der Gläubigen ebenso wie die eigenen Impulse.
Ihre kinderleichte Malerei durchläuft jedoch anschließend die Prüfung der Gläubigen. Von islamischer Seite wurde etwa die Darstellung eines Schwerts moniert. Die Malerin machte daraufhin Schwerter zu Himmelsleitern.
Sie stellt in Wittenberg aus
Von Langsdorff ist Christin. „Für mich ist das Wesentliche die Feindesliebe“, betont sie. Und auch davon erzählen ihre Bilder, die vom Miteinander der Gläubigen zeugen, die oft im Zwist leben.
Um Feindesliebe geht es in ihrer Auseinandersetzung mit Kindersoldaten. Kinder – die traumatisiert von erfahrener und begangener Gewalt nur noch hassen können und denen schließlich nur noch Liebe hilft. Eine Ausstellung von Amnesty International mit den Bildern ehemaliger Soldaten zeigt sie häufig zusammen mit eigenen Werken. Von Langsdorffs Bilder sind dann eine Antwort auf das Grauen. In Hamburg war sie mit den Bildern der ehemaligen Kindersoldaten schon in zahlreichen Gemeinden zu Gast im Konfirmandenunterricht.
Von Kunst und Menschenliebe erzählt auch ihr Lebensweg. Die gebürtige Berlinerin besuchte in den 1950er-Jahren die Akademie für grafisches Gewerbe in München. Dann arbeitete sie lange beim Südwestfunk – sie illustrierte beispielsweise mit ihren Bildern Geschichten, die verfilmt wurden. „Da hatte ich ein Paradies – nach dem Krieg war man ja ausgehungert nach schönen Bildern“, sagt sie heute. Aus der Kunst wurde Kunstpädagogik, als sie begann, mit verhaltensauffälligen Jugendlichen in Baden-Württemberg zu arbeiten. Aus familiären Gründen zog sie in den Norden.
Ihre Bilder waren im Frühjahr bereits an der Hundertwasserschule in Wittenberg zu sehen. Nun bereitet sich die Künstlerin auf die „Woche der Spiritualität“ vor, die im Rahmen der Weltausstellung Reformation in der Lutherstadt stattfindet. Den Innenhof der Leucorea-Universität wird sie vom 21. bis zum 23. Juli mit ihren Werken pflastern. Dass ihre Ansichten der Weltreligionen ausgerechnet in der Stadt, in der der Protestantismus entstand, so gefragt sind, ist für Petra von Langsdorff „eine große Ehre“.