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Wissenschaftlicher Austausch über Grenzen: DAAD wird 100 Jahre

Zum Jubiläum gibt es eine Sonderbriefmarke und im Mai einen Festakt im Berliner Humboldt Forum: Der Deutsche Akademische Austauschdienst wird 100 Jahre alt. Sein Ziel: eine Wissenschaft über Grenzen hinweg.

Was haben Bestsellerautorin Margaret Atwood, Chiles frühere Präsidentin Michelle Bachelet und Astronaut Alexander Gerst gemeinsam? Sie waren Stipendiaten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Und damit Teil eines internationalen Netzwerks von Studierenden und Wissenschaftlern, das am Montag sein 100-jähriges Bestehen feiert. DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee warb am Donnerstag in Bonn für eine Internationalisierung von Hochschulen und Wissenschaft – gerade in Zeiten vieler internationaler Krisen.

Heute ist der in Bonn ansässige DAAD eine der weltweit größten Organisationen für den Austausch von Studenten und Wissenschaftlern. Begonnen hat er als private Initiative des Heidelberger Studenten Carl Joachim Friedrich Anfang der 20er Jahre. Er warb für die Vision, dass deutsche Studierende und Wissenschaftler ins Ausland gehen sollten, um ihren Horizont zu erweitern – und um den Ruf Deutschlands nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg aufzupolieren. Friedrich gelang es, in den USA die ersten 13 Stipendien für junge deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einzuwerben. Am 13. Januar 1925 wurde dann in Heidelberg der Akademische Austauschdienst, die Vorläuferorganisation des DAAD, gegründet.

Noch im selben Jahr zog der Verein ins vormalige Stadtschloss in Berlin. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 ordnete er sich der NS-Ideologie unter; 1945 wurde er aufgelöst. Doch bereits 1950 wurde der DAAD in Bonn wiederbegründet. Nach den Gräueln der Nazizeit und der Verstrickung der deutschen Wissenschaft rückte die Idee der Völkerverständigung, der Toleranz und der Friedenssicherung in den Vordergrund.

DAAD-Mitgründer Friedrich selber erwies sich als gutes Beispiel für eine grenzüberschreitende Wissenschaft: Noch in den 1920er Jahren wanderte er in die USA aus und wurde in Harvard zu einem angesehenen Politikwissenschaftler. Nach 1945 trug er zum demokratischen Neubeginn Deutschlands, zur Entwicklung des Marshall-Plans und zur Ausarbeitung des Grundgesetzes bei.

Seit 1925 hat der DAAD nach eigenen Angaben rund drei Millionen Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Europa und der ganzen Welt gefördert. Derzeit erhalten jährlich rund 140.000 Personen Stipendien oder werden in Projekten unterstützt. Der DAAD ist zudem seit dem Start des Erasmus-Programms 1987 die Nationale Agentur für europäische Hochschulzusammenarbeit.

Präsident Joybrato Mukherjee würdigt die aktuelle Rolle Deutschlands bei der Internationalisierung der Wissenschaft. Laut DAAD ist die Bundesrepublik nach den USA – und noch vor Großbritannien – das zweitwichtigste Gastland für internationale Wissenschaftler. Über 75.000 Forschende aus aller Welt arbeiten in der Bundesrepublik. Außerdem sind über 400.000 internationale Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Die Zahl deutscher Studierender im Ausland lag – nach den aktuellsten Zahlen von 2021 – bei knapp 138.000. Seit 1991 hat sich die Zahl vervierfacht.

Leitgedanke des DAAD ist nach den Worten der früheren Präsidentin Margret Wintermantel, dass die Gesellschaften von einem weltoffenen Austausch auf Augenhöhe profitieren. Auch der Standort Deutschland gewinnt: Die internationale Zusammenarbeit stärke Innovationskraft, sichere Wohlstand und helfe, die gigantischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bewältigen, sagt Mukherjee. Das große Interesse ausländischer Wissenschaftler und Studierender sei eine ausgesprochen positive Entwicklung für ein Land, das dringend mehr Fachkräfte benötige.

Allerdings hat die internationale Zusammenarbeit auch Grenzen: Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat der DAAD die deutsch-russischen Austauschbeziehungen stark eingeschränkt und Programme aus Deutschland nach Russland auf Eis gelegt – während die Zusammenarbeit deutscher Hochschulen mit der Ukraine verstärkt wurde.

Dass ausgerechnet im Jubiläumsjahr deutliche Haushaltskürzungen drohen, wird in der Bonner Zentrale mit Unverständnis aufgenommen. Schließlich sei angesichts der “Zeitenwende” die Auswärtige Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik von fundamentaler Bedeutung, heißt es.

Der aktuelle Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2025 sieht für den DAAD 205 Millionen Euro Grundfinanzierung aus dem Auswärtigen Amt vor. Das wären 13 Millionen weniger als 2024. Dazu kommen rund 185 Millionen Euro aus dem Bundesforschung- und knapp 55 Millionen Euro aus dem Entwicklungsministerium. Darüber hinaus erhält der DAAD für das Erasmus-Programm rund 243 Millionen Euro von der EU.