Die EKBO will Opfern von sexueller Gewalt beistehen und intern eine Kultur der Aufmerksamkeit entwickeln, die Menschen schützt
Von Sibylle Sterzik
„Wir sind für Sie da“, sagt die Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein. Mit einer im September geschalteten Videobotschaft wendet sie sich auf der Internetseite der EKBO an Menschen, die einen Missbrauch erlebt haben. „Melden Sie sich, wir gehen jedem Fall nach“, bittet sie die Betroffenen. Viele zögern, seien unsicher, sagt sie, ob sie darüber reden sollen. Dritte hätten manchmal einen Verdacht, den sie loswerden wollen. „Dieses schwere Thema können wir nur dann lösen, wenn wir deutlich machen: Wir schützen keinen kirchlichen Mitarbeitenden, der Täter oder Täterin ist, vor Strafe. Früher mag es so gewesen sein, dass kirchliche Dienstvorgesetzte wegsahen, heute ist das völlig anders. Wir stehen auf der Seite der Betroffenen“, sagt sie eindrücklich. Trotzdem müsse die Kirche sorgfältig vorgehen, um nicht eventuell Menschen zu schädigen, die unbegründet beschuldigt werden. Möchte jemand einen Verdacht auf Missbrauch in der Kirche anzeigen oder über widerfahrene sexuelle Gewalt sprechen, ist Monika Weber die erste Ansprechpartnerin. Sie unterstützt die Anrufenden und überlegt mit ihnen, was der nächste Schritt sein kann. Die von der Kirche unabhängige externe Beauftragte ist telefonisch unter Rufnummer (030) 24344-199 montags von 9 bis 11 Uhr und mittwochs von 15 bis 17 Uhr erreichbar. Der Anrufende bleibt anonym, die Nummer wird nicht angezeigt. Die systemische Beraterin, Therapeutin und Kinderschutzfachkraft berät als Kinderschutzbeauftragte im Kirchenkreis Berlin Stadtmitte Pfarrerinnen und Pfarrer sowie alle Mitarbeitenden rund um das Thema Kinderschutz. Landeskirche und Diakonie haben außerdem gemeinsam eine Unabhängige Kommission eingesetzt. Sie unterstützt Menschen, die in der Landeskirche und der Diakonie Opfer von sexueller Gewalt geworden sind. Stellvertretend für die Landeskirche erkennt sie das Unrecht an und bekennt sich auch zu der Schuld, Betroffene nicht genügend geschützt zu haben. Bereits im April konstituierte sich die Kommission. Inzwischen hat sie auch erste Betroffene angehört. „Das war tief erschütternd. Ich war beeindruckt von der Stärke und Kraft dieser Menschen“, berichtet Ulrike Trautwein. Deren Anonymität zu wahren, ist ihr oberstes Gebot. Sie schäme sich für das, was im Raum von Kirche passiert ist. Immer deutlicher werde ihr in den Gesprächen, „wie tief die Verletzung gehe, auch darüber, dass andere im kirchlichen Umfeld das hätten sehen müssen und nicht haben sehen wollen“. Jede Betroffene, jeder Betroffener, die/der das möchte, wird zum Gespräch eingeladen und kann im Schutz der Vertraulichkeit erzählen, was ihr oder ihm widerfahren ist. Dabei ist unerheblich, ob der Missbrauch kurze Zeit zurückliegt oder 30 und mehr Jahre. „Oft Menschen brauchen sehr lange, um dieses Geschehen in ihrem Leben zu begreifen, einzuordnen und verarbeiten zu können.“„Jede oder jeder kann selbst entscheiden, ob sie oder er darüber selbst reden möchte oder die Geschichte lieber aufschreibt“, sagt Ulrike Trautwein. Nicht jeder wolle vor einer Gruppe darüber reden. „Man hat eine große Freiheit, für sich selber zu klären: Was kann ich aushalten und welches Setting brauche ich, um meine eigene Geschichte erzählen zu können?“, erklärt die Generalsuperintendentin. „Alles ist möglich: Mit der ganzen Kommission zu reden, die aus fünf Mitgliedern besteht, oder nur mit einem oder zwei davon.“ Superintendentin im Ruhestand Viola Kennert leitet die Unabhängige Kommission. Weitere Mitglieder sind Erika Feldhaus-Plumin, Professorin für Gesundheits- und Sozialwissenschaften an der Evangelischen Hochschule Berlin; Ingeborg Junge-Reyer, Staatssekretärin a.D.; Martin Müller-Follert, Mitglied der Kirchenleitung; Marie Anne Subklew-Jeutner, Pfarrerin der Nordkirche und Ulrike Trautwein, Generalsuperintendentin im Sprengel Berlin (beratend). Man könne auch einen Menschen eigenen Vertrauens bitten, für sich zu sprechen, etwa Monika Weber oder eine Verfahrenslotsin, einen Verfahrenslotsen. Wichtig ist der Generalsuperintendentin, „dass wir im geschützten Raum der Kommission stellvertretend für unsere Kirche eine Möglichkeit finden, darüber sprechen zu können. Die Betroffenen müssen unsere Anteilnahme erfahren und mehr noch: Die Anerkennung, dass sie Opfer eines Verbrechens geworden sind. Wir können im Namen der Kirche um Entschuldigung bitten, gleichwohl wissen wir, dass das Geschehene nicht zu entschuldigen ist.“
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Hilfen bei Missbrauch und Missbrauchsverdacht in der EKBO
Monika Weber ist unabhängige externe Beraterin.Sie ist telefonisch erreichbar und berät anonym und kostenfrei: (030) 24344-199, Mo 9 bis 11 Uhr und Mi 15 bis 17 Uhr, sonst Anrufbeantworter.
Die Nummer wird nicht angezeigt. E-Mail: beratungundhilfe@ekbo.deMehr unter www.ekbo.de
Unabhängige Kommission zur individuellen Aufarbeitung von sexualisierter GewaltKontaktaufnahme:Telefon: (030) 24344-316 / -535
Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein, Telefon (030) 2177422.