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“Wir haben den ganzen Menschen im Blick”

Deutsch-Integrationskurse, Grundlagen in Microsoft Excel, Pilates, ein französischer Kochkurs oder ein gemeinsamer Museumsbesuch: All diese Veranstaltungen – und noch viele weitere – bieten die Volkshochschulen an einem einzigen Tag im März im Großraum München an. „Bildung ist nicht nur die Aneignung von Wissen in einem bestimmten Bereich – Bildung ist so viel mehr“, sagt Christian Hörmann, einer der beiden geschäftsführenden Vorstände des Bayerischen Volkshochschulverbands (bvv).

Seit 50 Jahren wird die Erwachsenenbildung in Bayern, die sogar in der Verfassung des Freistaats erwähnt wird, mit dem Bayerischen Erwachsenenbildungsförderungsgesetz (BayEbFöG) unterstützt. Als Träger gefördert werden aktuell neben den Volkshochschulen die Evangelische und die Katholische Erwachsenenbildung Bayern sowie das Bildungswerk des Bayerischen Bauernverbandes.

Vom Koch- bis zum Sportkurs: In ihren Angeboten haben die geförderten Träger eine große Freiheit, erläutert Hörmann. Das liegt zum einen an der sehr umfassenden Definition von Bildung in dem Gesetz, das am 1. September 1974 in Kraft trat. So verfolge die Erwachsenenbildung auch das Ziel, „zur Selbstverantwortung und Selbstbestimmung des Menschen beizutragen“, heißt es dort. Sie „fördert die Urteils- und Entscheidungsfähigkeit, führt zum Abbau von Vorurteilen und befähigt zu einem besseren Verständnis gesellschaftlicher und politischer Vorgänge als Voraussetzung eigenen verantwortungsbewussten Handelns“.

„Dieses Gesetz ist so wertvoll“, sagt bvv-Vorstand Hörmann. „Bildung ist eben nicht nur Sprachenlernen oder einem historischen Vortrag zu lauschen.“ Es gehe auch darum, „handwerkliche, kreative, künstlerische Fähigkeiten herauszubilden, weil das auch einen Beitrag dazu leisten kann, im Leben gut zurechtzukommen und sich als ganze Person entfalten zu können. Das finde ich gerade in diesen schwierigen Zeiten sehr wichtig“. Die Erwachsenenbildung habe „den ganzen Menschen, mit all seinen Bedürfnissen und Entfaltungsbedarfen“ im Blick.

In der Evangelischen Erwachsenenbildung in Bayern liegen die Schwerpunkte in der religiösen und kulturellen Bildung, bei Lebens- und Erziehungsfragen sowie in der Gesundheitsbildung, erläutert Vera Lohel, eine der beiden Vorständinnen der Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Erwachsenenbildung in Bayern (AEBB). Auch die berufliche Weiterbildung sei stark im Kommen. Die Evangelische Erwachsenenbildung nehme außerdem Menschen in den Blick, die sonst vielleicht nicht so im Fokus stünden, etwa weil sie gesundheitliche Einschränkungen oder schwierige Bildungsvoraussetzungen hätten oder sich in schwierigen Lebenssituationen befinden.

Dass sich die evangelische Kirche in der Erwachsenenbildung engagiert, ist für Ramona Leibinger, ebenfalls Vorständin der AEBB, ein ureigener kirchlicher Auftrag: „Glaube und Bildung gehören zusammen. Vom reformatorischen Gedanken her gehört es dazu, dass Menschen sich durch Wissen und Lernen ihr eigenes Urteil bilden können und das Wort Gottes sowie ihr Gewissen in Entscheidungen einbeziehen.“ In der Neufassung des Gesetzes aus dem Jahr 2018 sei die religiöse Bildung ausdrücklich als eines der Ziele von Erwachsenenbildung hinzugefügt worden.

Freiheit bietet das Bayerische Erwachsenenbildungsförderungsgesetz den Trägern auch, weil der Freistaat zwar finanzielle Unterstützung gibt, aber nicht in die Inhalte oder Strukturen der Erwachsenenbildung eingreift. Diese Freiheit sollte als Bollwerk gegen totalitäre Tendenzen dienen, erläutert bvv-Vorstand Hörmann. „Das ist in der Situation, in der wir heute sind, wirklich nicht hoch genug einzuschätzen.“

Für die bayerischen Volkshochschulen ist jedoch nicht der Freistaat der größte Geldgeber, sondern die Kommunen mit etwa 30 Prozent der Gesamtmittel. Deren „extrem belastete Haushalte“ und Sparzwänge sieht Hörmann mit Besorgnis. „Das ist eine große Herausforderung, da auch über die nächsten Jahre eine stabile öffentliche Finanzierung für die Volkshochschulen hinzukriegen.“ Ziel sei es immer, die Beiträge, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst zahlen müssen, so gering wie möglich zu halten.

Wichtig ist Hörmann, Lohel und Leibinger noch zu betonen, dass die Bildungsorte immer auch Orte für Begegnungen seien – anders ein Lernvideo, das man alleine im Internet anschaue. „Hier begegnen sich Menschen aus ganz verschiedenen Milieus, um sich auszutauschen und gemeinsam an einem Thema zu arbeiten“, sagt Hörmann. Dies sei auch gesellschaftlich „ein ganz wertvoller Aspekt“. (1018/26.03.2025)