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„Wir erwarten Taten!“

Im Jahr des 500. Reformationsjubiläums scheinen evangelische und katholische Kirche sich bestens zu verstehen. Dem katholischen Theologen Hans Küng reicht das nicht

Norbert Neetz

Gerade wirkt alles so versöhnlich: Im vergangenen Herbst reiste eine ökumenische Delegation aus Deutschland nach Israel. Die Atmosphäre zwischen den Spitzenvertretern der deutschen katholischen und evangelischen Kirche war ausgesprochen freundschaftlich, erzählen Menschen, die dabei waren. Das Gleiche gilt für die Feier des ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienstes in Hildesheim vor zwei Wochen. Für Beobachter ist offensichtlich, dass es zwischen dem Ratsvorsitzenden der EKD, dem bayerischen Bischof Heinrich Bedford-Strohm, und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, dem Münchner Kardinal Reinhard Marx, auch persönlich einen guten Draht gibt. Der EKD-Chef Bedford-Strohm sieht sogar in den Plänen der deutschen katholischen Bischöfe zum Abendmahl für evangelisch-katholische Ehepaare ein Hoffnungszeichen für ein generelles gemeinsames Abendmahl.

Das klingt hoffnungsfroh. Wer aber genau hinschaut, entdeckt Brüche: Die westfälische Präses und stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus zum Beispiel war im Februar in die Abtei Königsmünster in Meschede eingeladen worden, um dort in einer Messe zum Benediktfest zu predigen. Das aber gefiel dem zuständigen Erzbischof Hans Josef Becker nicht – er drängte den Abt, die Einladung zurückzunehmen. Offizielle Begründung des Bistums Paderborn: Das katholische Kirchenrecht erlaube es evangelischen Pfarrerinnen oder Pfarrern nicht, in Gottesdiensten mit Eucharistiefeier zu predigen; das sei geweihten Priestern und Diakonen vorbehalten. Die Unstimmigkeiten, die Gottes Bodenpersonal da austrug, blieben nicht verborgen. Präses Annette Kurschus jedenfalls äußerte sich ernüchtert über die Zurückweisung.

Gibt es also wirklich guten Grund dafür, die Ökumene im Jahr des Reformationsjubiläums ausdrücklich zu feiern? Der katholische Theologe Hans Küng, bekannt für seine kritische Haltung seiner Kirche gegenüber und von dieser dafür reichlich abgestraft, meint: Nein – denn die Kirchenspaltung ist noch lange nicht überwunden. Nach wie vor erkennt die katholische Kirche weder die Ämter der evangelischen (oder anglikanischen) Kirchen an, noch macht sie den Weg frei für eine gemeinsame Abendmahls-Feier.

Damit hinken die Kirchenführer der Realität weit hinterher, so Küng in einem Beitrag in dem liberalen katholischen Magazin „Publik Forum“: In Gemeinden und Gruppen leben evangelische und katholische Christen längst das, was offiziell immer noch verboten ist – „für sie stellen die gegenseitige Anerkennung der Ämter und die eucharistische Gemeinschaft kein Problem mehr dar“, so Küng. Das müssten auch die Amtskirchen anerkennen und umsetzen. „Wir ökumenisch engagierten Christen erwarten endlich Taten!“, schreibt der Theologe.

Dabei sieht er auch die evangelische Kirche in der Pflicht, die Forderung nach Anerkennung und Gemeinschaft „freimütig und deutlich“, allerdings „nicht ohne die gebotene Selbstkritik“, an die katholische Seite heranzutragen. „Nur 500 Jahre Reformation feiern, ohne die Kirchenspaltung wirklich zu beenden, heißt, neue Schuld auf sich zu laden“, formuliert Küng. Nur in einer wahrhaft versöhnten Verschiedenheit sei das Christentum in der Welt von heute noch glaubwürdig.