Am Montag, 24. Februar, stehen drei wichtige Termine im Kalender von Erzpriester Ioann Kuz: ein Gottesdienst um 15 Uhr in Kiels Offener Kirche Nikolai, eine Solidaritätsdemonstration für die Ukraine in Kiel und eine Veranstaltung in Kappeln. „Der 24. Februar wird ein neuer Gedenktag in Deutschland“, sagt Iris Laufer lakonisch. Vor drei Jahren griff Russland die Ukraine an.
Iris Laufer ist Vorsitzende der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft Kiel. Sie sitzt neben Familie Kuz an einem Holztisch in der Bethlehem-Kirche von Kiel-Friedrichsort. An einen baldigen Frieden zwischen der Ukraine und Russland glaubt hier niemand.
Ukrainische Gemeinde Kiel: Goldene Ikonen funkeln im Altarraum
Familie Kuz, das sind Erzpriester Ioann Kuz, seine Frau Vira und ihr Sohn Ivan. Sie sind aus Iwano-Frankiwsk in der Westukraine und der Grund, weshalb es in Schleswig-Holstein heute eine ukrainisch-orthodoxe Kirche gibt. Denn: „Wer Priester ist, bleibt es“, sagt Erzpriester Ioann. Anfang 2023 lud er zum Gottesdienst im ehemaligen Wohnheim der Katholischen Studierendengemeinde, in dem Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht waren. Die Allerheiligengemeinde entstand. Ein halbes Jahr später erhielt er den Schlüssel für die Bethlehem-Kirche Friedrichsort.
Heute stehen funkelnde goldene Ikonen auf Staffeleien im Altarraum der 150 Jahre alten Holzkirche. Sonntags um 11 Uhr lädt die Allerheiligengemeinde zum Gottesdienst. Bis zu 30 Gläubige kommen dann.
Lieber zum Priester als zum Psychologen
Zu hohen Feiertagen ist die Kirche bis auf den letzten Platz besetzt. Auch aus Orten wie Flensburg, Preetz oder Kappeln fahren die Menschen zur Kieler Kirche: Die Allerheiligengemeinde ist die einzige ukrainisch-orthodoxe Gemeinde im hohen Norden. Sie ist seit Kurzem auch Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Schleswig-Holstein (ACK SH).
Fester Bestandteil des Sonntags sei das „kommunikative Buffet“, erzählt Iris Laufer. Anfangs habe Vira Kuz noch Bortsch für alle gekocht. Mittlerweile bringe jeder etwas fürs Buffet mit. „So etwas wie ein Kirchenkaffee ist in der Ukraine nicht üblich“, sagt Ivan Kuz. „Vielleicht wird das jetzt zur Tradition.“ Die Gespräche, das Miteinander, all das empfindet Iris Laufer als „Rückgratstärkung in jeglicher Hinsicht“ für die Ukrainer im Norden. „Menschen, die glauben, haben einen besonderen Boden unter den Füßen.“ Erzpriester Ioann ist an diesen Tagen besonders gefragt, er führt zahlreiche Gespräche.
Seine Gemeindemitglieder besucht er auch zu Hause, in ganz Schleswig-Holstein. Er geht zu Kranken, führt Seelsorgegespräche, betet und segnet. „Die Menschen aus der Ukraine sprechen eher mit einem Priester als mit einem Psychologen“, erklärt Iris Laufer.
Gestern Geflüchtete, heute Norddeutsche
Die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft Kiel und die Allerheiligengemeinde arbeiten häufig zusammen. Sie organisieren Benefizkonzerte und Hilfslieferungen für ihre Heimat. Wer Begleitung bei Arztbesuchen oder Behörden in der neuen Heimat braucht, findet sie hier.
Mehr als 60 Kinder hat Erzpriester Ioann in den vergangenen eineinhalb Jahren getauft. Aus Geflüchteten sind Norddeutsche geworden. „Ein Teil der Gemeinde wird bleiben“, ist er überzeugt. Das gilt auch für ihn und seine Familie. Sie werde gebraucht. Die Allerheiligengemeinde werde weiter wachsen.