Hamburg. Am 25. Dezember 2015 saß Amareh Lenka mit acht Personen am Tisch, von denen er die meisten noch nie gesehen hatte, und feierte das erste Weihnachtsfest seines Lebens. In Deutschland war er da seit vier Monaten, für ein Masterstudium an der TU Harburg war er aus Indien gekommen. Ein Weihnachtsfest hatte er als Hindu noch nie erlebt. Aber Lenka sagt, seine Eltern seien viel in der Welt herumgekommen und hätten ihm erzählt, die Deutschen würden ihre Traditionen schätzen und sehr traditionell Weihnachten feiern. Das wollte er gern erleben – und so freute er sich, als er hörte, dass über das Studierendenwerk internationale Studenten an Hamburger Gastgeber vermittelt werden.
Ins Leben gerufen hat die Aktion Andrea Meenken, Sozialberaterin beim Studierendenwerk Hamburg und Fachreferentin Internationales. Als sie selbst noch in Emden studierte, wo auch ihre Familie lebte, lud sie zu Weihnachten mehrmals andere Studenten ein, die sonst hätten alleine feiern müssen. „Das war für uns eine große Bereicherung“, sagt sie. Als sie die Stelle beim Studierendenwerk übernahm, musste sie wieder daran denken und beschloss, sich dafür einzusetzen.
"Weihnachtswörterbuch" klärt auf
2014 vermittelte sie das erste Mal Studenten aus aller Welt an Hamburger Gastgeber. Damals meldeten sich 15 Haushalte und 19 Studenten an. Nicht bei allen gelang jedoch das gemeinsame Fest. Daraus hat Meenken gelernt und gibt den Gästen inzwischen eine kleine Einführung, in der sie zum Beispiel erklärt, dass der Nahverkehr an Feiertagen einem anderen Fahrplan folgt. Und auch ein „Weihnachtwörterbuch“ verteilt sie. Das erklärt auf Englisch typisch deutsche Traditionen wie Krippenspiel, Rotkohl und Lametta. 2015 nahmen schon 20 Haushalte insgesamt 30 Gäste auf.
Studenten aus Europa fliegen nach Hause oder reisen. Interessant ist das Angebot daher vor allem für Studenten, deren Familien entweder kein Weihnachten feiern oder für die ein Heimflug über die Feiertage zu teuer wäre. Das betrifft viele Studenten aus Indien, im vergangenen Jahr wurden aber auch Gäste aus China, Ägypten und Nigeria vermittelt.
Die Gastgeber bekommen einen Fragebogen, in dem sie angeben können, welches Essen sie planen, ob sie Haustiere haben, ob es besondere Traditionen zu Weihnachten gibt und welche Sprachen sie sprechen. Auch wann sie ihren Gast empfangen möchten, an Heiligabend oder an einem der beiden Weihnachtsfeiertage, können sie notieren. Ähnlich machen es die Studenten: Sie geben an, ob sie aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen etwas nicht essen können, vielleicht ein Instrument spielen und ob für sie ein Gottesdienstbesuch in Ordnung wäre. „Viele sind total aufgeschlossen, einen Gottesdienst mitzuerleben, auch wenn das nicht ihre Religion ist“, sagt Meenken. Im vergangenen Jahr haben die Hälfte aller Gastgeber einen Gottesdienstbesuch eingeplant.