Zu den im Raum stehenden Kürzungen bei der Finanzierung der Integrations- und Berufssprachkurse findet Kajetan Tadrowski klare Worte: „Der Kurs der Bundesregierung erscheint wenig nachhaltig und auf längere Sicht absolut kontraproduktiv. Integration wird durch die Mittelkürzungen erschwert“, beklagt der Leiter des DRK Sprach- und Bildungszentrum Frankfurt am Main. Solche massiven Einschnitte machten eine Kurs- und Angebotsplanung faktisch unmöglich.
Die bisherigen Mittel von jährlich über einer Milliarde Euro für die Kursangebote stehen auf der Kippe. Noch ist wegen des Ausscheidens der FDP aus der Ampel offen, wie der künftige Haushalt aussehen wird und wann er beschlossen wird. Stand heute will der Bund den Betrag angesichts leerer Kassen für 2025 um die Hälfte kürzen.
Sascha Rex, Leiter der Stabsstelle Grundsatz und Verbandsentwicklung beim Deutschen Volkshochschul-Verband, sieht darin ein „sehr merkwürdiges Verständnis von Integrationspolitik“. Die Kürzungen führten dazu, dass rund 180.000 Personen 2025 keinen Kurs beginnen könnten. „Die aktuell durchschnittlichen Wartezeiten von einem halben Jahr, werden sich dann um ein Jahr auf rund 1,5 Jahre verlängern“, sagte Rex dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das geplante Aus für die Finanzierung von derzeit bis zu 300 Wiederholungsstunden für durch die Prüfung gefallenen Teilnehmer sei das „genau das falsche Signal“.
Im vergangenen Jahr haben 360.000 Menschen ihren Integrationskurs begonnen – so viele wie noch nie. Für 2024 wird mit einem ähnlichen Aufkommen gerechnet. Daten dazu gibt es noch nicht.
Das Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage mit, die finanziellen Bedarfe für das kommende Jahr seien aktuell noch nicht bezifferbar und weiter zu prüfen. „Die Bundesregierung hat sich deshalb darauf verständigt, die konkrete finanzielle Ausstattung des Integrationskursbereichs im Zuge der parlamentarischen Beratungen zum Haushalt 2025 zu bestimmen.“
Birgit Leyendecker, stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrates für Integration und Migration (SVR), sagt dazu: „Sprach- und Integrationskurse sind eine wichtige Brücke zur sprachlichen, ökonomischen und nicht zuletzt zur sozialen Integration.“ Sie hätten sich als das zentrale staatliche Angebot bewährt, um zugewanderte Menschen möglichst rasch in den Arbeitsmarkt zu bringen.” Aus integrationspolitischen Gründen und mit Blick auf die Interessen des Arbeitsmarkts spreche vieles dafür, dass Deutschland sein bewährtes Programm an Integrationskursen aufrechterhält und für die steigende Nachfrage noch ausweitet.
Eine Studie der OECD bestätigt: Mit seinem Modell der dem Arbeitseinstieg vorgelagerten sprachlichen Qualifizierung sei Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten sehr erfolgreich. Danach erreichte 2022 die Erwerbstätigenquote von im Ausland geborenen Migrantinnen und Migranten ein Niveau von 70 Prozent und war damit höher als in den meisten anderen EU-Ländern.
„Es ist davon auszugehen, dass eine Reduzierung des Angebots die Arbeitsmarktchancen von Migranten und Migrantinnen unmittelbar verschlechtern wird und dadurch vermeidbare neue Kosten entstehen“, sagt auch Niklas Harder, Co-Leiter der Abteilung Integration am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).
Er habe zusammen mit Kollegen vom Immigration Policy Lab und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Wirkung von Integrations- und Sprachkursen 2015 und 2016 untersucht. Die demnächst erscheinenden Studie zeige, dass die Teilnahme an einem Integrationskurs die Chancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich verbessert. “Unter den von uns untersuchten Geflüchteten, die an einem Integrationskurs teilnahmen, lag die Beschäftigungsquote zwölf Monate nach Beginn der Kurse um 4,4 Prozentpunkte höher als bei Geflüchteten, die nicht daran teilnahmen. Dieser Unterschied steige in den Folgemonaten noch weiter an.
Sascha Rex betont: „Nach unserem Rechtsverständnis haben die meisten Zugewanderten einen Rechtsanspruch auf eine Teilnahme am Integrationskurs. Das ist im Aufenthaltsgesetz geregelt. Wenn die Bundesregierung das Kernelement deutscher Integrationspolitik unterfinanziert, dann ist das rechtlich bedenklich.“