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Weiter über Kreuz

Der Versuch beim Kirchentag, einen Dialog zwischen AfD und Kirchen zu starten, scheint gescheitert. Die Partei attackiert die Kirchen erneut, beklagt Dialogverweigerung und spricht Käßmann ab, eine aufrichtige Christin zu sein

Berlin – Die Positionen unvereinbar, im Umgang aber sachlich, bilanzierten Beobachter das Gespräch zwischen AfD und Kirche beim evangelischen Kirchentag in Berlin. Der Berliner Bischof Markus Dröge diskutierte dort am Himmelfahrtstag mit Anette Schultner von den „Christen in der AfD“ – einer Vertreterin aus der zweiten Reihe.
Die Führung der rechtskonservativen Partei hatten die Organisatoren als Podiumsgäste ausgeschlossen. Vor dem Kirchentag hielt sich das Spitzenpersonal darüber auffällig zurück. Danach teilt es nun um so heftiger aus und verschärft den Ton erneut. Die Kirchen verweigerten den Dialog, kritisierte der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen, am Tag nach dem Protetantentreffen in Berlin und attackierte vor allem die Theologin Margot Käßmann für ihre AfD-Kritik.
Meuthen sprach von „Dialogverweigerung“ und warf den Kirchen vor, die AfD zu „diffamieren“. „Gesprächsangebote lehnen sie kategorisch ab“, sagte Meuthen, räumte zugleich aber ein, dass es eine offizielle Anfrage der Parteispitze an die Kirchen für Gespräche, ob öffentlich oder informell, in der Form noch gar nicht gegeben hat.
Die Kirchen treffen sich regelmäßig mit den verantwortlichen Parteien zum Meinungsaustausch, auch da allerdings mit Abstufungen. So gilt zum Beispiel das Verhältnis zur Linkspartei aufgrund ihrer Geschichte und kirchenkritischen Positionen als angespannt. Ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wies den Vorwurf der Dialogverweigerung zurück, indem er auf die auf dem Kirchentag geführte Debatte verwies.

Empörungswelle auf Twitter

Gute Kontakte gibt es Meuthen zufolge dagegen zwischen AfD und konservativen Christen, etwa evangelikalen Strömungen, die eine konservative Bibelauslegung vertreten. Diese Kontakte seien aber nicht institutionalisiert, sagte er.
Meuthen nutzte das Podium am Montag nach dem Kirchentag auch für eine scharfe Attacke gegen EKD-Reformationsbotschafterin Margot Käßmann. Die frühere Bischöfin und EKD-Ratsvorsitzende hatte in einer Bibelarbeit beim Kirchentag, die sie in den folgenden Tagen auch noch bei „Kirchentagen auf dem Weg“ in mitteldeutschen Städten gehalten hatte, die Forderung der AfD nach einer Erhöhung der Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung in Zusammenhang mit dem Arierparagraphen der Nationalsozialisten gebracht. In diesem Kontext sagte sie: „Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern. Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht.“
Im Kurznachrichtendienst Twitter wurden vielfach nur die beiden letzten Sätze ohne den Zusammenhang zum Arierparagraphen zitiert und dadurch der Eindruck erweckt, Käßmann habe alle Bürger mit deutschen Ahnen zu Neonazis erklärt. Unter anderem stieg die kürzlich aus der CDU ausgetretene Politikerin Erika Steinbach in die Empörungswelle ein, die auf Twitter erst am Samstag des Kirchentages folgte – an dem Tag warnte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei dem Protestantentreffen vor den Folgen von Fake News im Netz und sprach von einer „Zersetzung der Demokratie“  –  und postete ein Bild, auf dem von „linksfaschistischen Ergüssen“ die Rede war.
Käßmann selbst nannte diese durch Falschdarstellung erweckte Unterstellung „lächerlich und absurd“: „Dann gehörte ich ja selbst auch dazu.“ Sie habe zwar schon erlebt, dass Äußerungen von ihr entstellt oder aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben worden seien. „Die Erfahrung, dass etwas bewusst falsch dargestellt wird, mache ich aber zum ersten Mal“, sagte Käßmann. Es mache zornig, und „du fühlst dich auch hilflos, weil du es nicht geraderücken kannst“.

AfD hält an ihrer Kirchen-Kritik fest

Auch Meuthen beteiligte sich an der Empörungswelle: „Vom Heiligen Geist verlassen. Bischöfin Käßmann beleidigt Millionen Deutsche als Nazis“, twitterte er und sah auch am Montag danach keinen Grund, zurückzurudern. Das sei nicht aus dem Zusammenhang gerissen, sagte er.
Im Zusammenhang werde es noch schlimmer, setzte Meuthen dann nach. Er verwies auf die demographische Entwicklung und sagte, Käßmann sei „zwei Dinge gewiss nicht: eine aufrichtige Christin und klug“. „Man könnte das schon fast als krank bezeichnen“, sagte er. Die kirchenpolitischen Forderungen der AfD blieben indes eher unklar.
Meuthen sagte, die Kirchensteuer habe Vorteile. Die Staatsleistungen, die an die Kirchen als Entschädigung für Enteignungen im Zuge der Säkularisierung bis heute gezahlt werden, müssten aber hinterfragt werden. Der Vorsitzende des AfD-Landesverbandes Niedersachsen, Armin-Paul Hampel, sagte, der Einzug von Kirchensteuer setze „Rechtstreue“ voraus, und stellte diese Rechtstreue der Kirchen mit Verweis auf das Kirchen­asyl infrage.
Verärgert ist die AfD weiter über den Slogan „Unser Kreuz hat keine Haken“, unter dem auch die Kölner Kirchen im April gegen den dortigen AfD-Bundesparteitag demons­triert hatten (UK berichtete). Der AfD-Landesverbandsvorsitzende Hampel forderte von der „Führung der evangelischen Kirche“, diesen Satz zurückzunehmen und deutete an, dies wiederum vonseiten seiner Partei zu einer Bedingung für den Dialog mit den Kirchen zu machen.