Unterm Baum soll das richtige Geschenk liegen, das Essen soll schmecken, alle sollen glücklich sein: Weihnachten ist oft mit hohen Erwartungen behaftet. Dabei ist Perfektion weder realistisch noch wirklich wünschenswert.
“Mit meinem Lieblingsmenschen, der schon bei Gott ist” oder “frei von Sorgen um meine Krebserkrankung”: Die Frage, wie ihr perfektes Weihnachtsfest aussähe, macht viele Menschen offenbar nachdenklich. Antworten wie diese sind auf den Social-Media-Kanälen des Portals katholisch.de zu lesen, das die Frage im Rahmen seiner diesjährigen Adventsaktion gestellt hat.
Manche Wünsche sind alltäglicher, zum Beispiel nach “Gemütlichkeit, gutem Wein, guten Gesprächen und viel Lachen” oder auch “Schnee und meine vier erwachsenen Töchter und ich”. Eine Nutzerin, die früher nach eigenen Worten “am Rand der Weihnachtsmarktrummels” gearbeitet hat, freut sich nun auf ruhige Tage, wie sie schreibt. Eine andere möchte sich kein perfektes Weihnachten wünschen, sondern schreibt: “Ich nehme es so, wie es kommt”.
Eine Sehnsucht nach Sinn, Gemeinschaft und Hoffnung prägt die “schönste Zeit des Jahres” – für manche jedenfalls. Psychotherapeut Andreas Hillert beobachtet, dass der Abstand zwischen der “frohen Botschaft” und der gesellschaftlichen Realität wächst. “Es gibt sicher noch eher traditionelle Bevölkerungsgruppen, für die es eine Zeit der Hoffnung in all den Krisen ist”, sagt er im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Für andere ist Weihnachten primär eine mit sentimentalen Gefühlen angereicherte Kommerz-Geschichte.”
Einerseits habe die Gesellschaft die maximale individuelle Freiheit zum Ideal erklärt, so Hillert. Andererseits könnten immer weniger Menschen diese Freiheiten für ihre eigene Lebenszufriedenheit nutzen – zumal jüngere, die im Durchschnitt vier bis sechs Stunden täglich online seien. Bei Religiosität gehe es jedoch “nicht nur um momentanen Spaß, sondern um Verbindlichkeiten und Verpflichtungen dem Leben gegenüber. Je unverbindlicher in diesem Fall eine christliche Orientierung ist, um so oberflächlicher wird logischerweise alles, was mit Weihnachten zu tun hat.”
Derweil zeigt eine Umfrage, dass die meisten Menschen hierzulande das kommende Weihnachtsfest so feiern können, wie sie es sich wünschen. Das sagten 43 Prozent der Befragten dem Meinungsforschungsinstitut YouGov in einer Umfrage für die KNA. 18 Prozent können demnach nicht so feiern wie gewünscht; ein gutes Drittel (34 Prozent) antwortete mit “teils, teils”.
Am ehesten sagen Frauen und Befragte zwischen 45 und 54 Jahren, dass sie nicht so feiern können, wie sie möchten: Unter den Frauen sind es 21 Prozent (Männer: 16 Prozent), in der mittleren Altersgruppe ein Viertel (24 Prozent), während das Problem unter den Jüngsten (18 bis 24 Jahre) etwa nur 18 Prozent haben und in der Altersgruppe 55 plus nur 19 Prozent.
Dass am ehesten Menschen im mittleren Alter zurückstecken, überrascht Hillert nicht. “Diese Generation trägt noch das ideale Weihnachtsbild aus der eigenen Kindheit mit sich”, erklärt der Chefarzt der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee: “Ein Glöckchen klingelt, die Tür wird geöffnet, da steht der strahlende Weihnachtsbaum.” Wenn sich ein solches “überwältigend-emotionales Ereignis” zwischen Berufsalltag und adventlichem Stress eher schwer oder gar nicht mehr wiederholen lasse, seien nicht wenige enttäuscht.
Konkret feiern die meisten Befragten laut YouGov mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin (54 Prozent), mit den eigenen Kindern (41 Prozent) oder Eltern (31 Prozent). Immerhin zehn Prozent geben an, dass sie allein feiern werden, besonders viele, die zwischen 45 und 54 Jahren oder über 55 Jahre alt sind (jeweils 12 Prozent). Vier Prozent erklären, gar nicht feiern zu wollen.
Gutes zu tun oder zu spenden, scheint eher im Advent en vogue zu sein. Nur zwei Prozent haben laut Umfrage vor, das Fest selbst mit anderen Menschen im Rahmen eines Ehrenamts zu feiern, etwa in einer Suppenküche oder in der Obdachlosenhilfe. Bei katholisch.de wünscht sich ein Nutzer “ein Essen für Obdachlose, das reicht”. Und Hilfsorganisationen wie die Caritas erklären, sie wären gerne bei den Menschen, deren Schicksal vor allem in der Advents- und Weihnachtszeit viele bewegt: “Zum Beispiel bei den hunderten Kindern im Makala-Gefängnis in Kinshasa zu sein, das wäre eine sinnvolle Sache”.
Laut einer früheren YouGov-Umfrage freut sich eine Mehrheit auf das Fest. 36 Prozent gaben an, sich “eher” zu freuen, ein Viertel (25 Prozent) freut sich “sehr”. Elf Prozent freuen sich demnach “überhaupt nicht” und 20 Prozent “eher nicht” auf Weihnachten.
Am ehesten wird es laut Hillert ein Fest der Freude, wenn Menschen ihre Erwartungen herunterschrauben: “Wenn ich mir wünsche, dass es perfekt wird, kann das nur scheitern. Dann leide ich darunter, was schief gelaufen ist, wer sich nicht über sein Geschenk gefreut hat oder gar nicht erst gekommen ist.” Der Psychotherapeut zieht einen Vergleich zur biblischen Weihnachtsgeschichte: “Das war alles andere als perfekt. Und wenn das originale Weihnachten so improvisiert war – warum soll dann mein heute gelebtes Weihnachten perfekt sein?”