Was sie kochen und anziehen soll, sind laut einer alten Werbung die wichtigsten Fragen für eine Frau. In den Sozialen Medien mehren sich Accounts, die diese Vorstellung wiederbeleben. Warum das problematisch sein kann.
Sie erklären, warum eine gute Frau sich ihrem Mann in der Ehe unterwirft. Sie teilen Tipps, um Haushalt und Kinderbetreuung zu managen. Sie warnen davor, als Frau arbeiten zu gehen – und einige von ihnen verdienen damit als Influencerinnen viel Geld: Sie nennen sich “Tradwives” (= traditional wives, dt. “traditionelle Ehefrauen”) und stellen sich in den sozialen Medien als vermeintlich traditionelle (Haus-)Frauen dar. Der Trend stammt ursprünglich aus den USA, hat sich aber auch in Deutschland in den vergangenen Jahren ausgebreitet.
Problematisch findet das die Medienethikerin und Philosophin Claudia Paganini. Ein Leben als Hausfrau zu propagieren und damit zugleich durch Werbung oder den Verkauf von Produkten Geld verdienen – das sei “ein bisschen wie Wasser predigen und Wein trinken”, sagt die Professorin von der Münchner Hochschule für Philosophie der Jesuiten.
Traditionelle Rollenbilder spielen für die “Tradwives” eine große Rolle. Auf einem deutschsprachigen Instagram-Account mit rund 15.000 Followern ist von typisch männlichen und typisch weiblichen Eigenschaften zu lesen. Der Wunsch nach Unabhängigkeit von Frauen wird mit Misstrauen in den Mann gleichgesetzt. Hier werde ein bestimmtes Rollenbild idealisiert, ohne auch die Herausforderungen und Schwächen davon zu benennen, kritisiert Paganini.
Dabei habe gerade dieses Rollenverhältnis dazu geführt, dass heute viele Frauen unter Altersarmut litten. Diese hätten sich zwar lange um Haushalt und Kinder gekümmert, aber nicht in die Sozialversicherung eingezahlt. “Ich will überhaupt nicht sagen, dass alle Frauen berufstätig sein müssen, um glücklich zu sein”, betont die Ethikerin. Aber über entsprechende Accounts werde jungen Leuten ein unrealistisches und romantisiertes Bild dieses Lebensstils vermittelt.
Aber was treibt die “Tradwives” an? Eine der Influencerinnen mit einem deutschsprachigen Profil und knapp 20.000 Followern erklärte vor kurzem im Deutschlandfunk, zeitlose Werte wie Fürsorge, Liebe und Harmonie seien das Fundament der Gesellschaft. Daher wolle sie mit ihren Beiträgen inspirieren. Ähnlich beschreibt es die Inhaberin eines anderen Accounts: In Zeiten der Unsicherheit brauche es Traditionen, die Halt und Orientierung gäben und eine Verbundenheit mit der Vergangenheit herstellten.
Paganini sieht genau darin den Grund dafür, dass sich solche Accounts auch hierzulande mehren. “Wir leben in einer Zeit, die von sehr viel Unsicherheit geprägt ist”, erklärt sie. “Gleichzeitig haben wir keine weltanschaulich homogene Gesellschaft mehr.” Was richtig und falsch sei, gerate ins Wanken. Da sei die Gefahr groß, sich Ideologien zu verschreiben, die vermeintlich einfache Antworten gäben.
Zudem sei es für viele Frauen sehr schwierig, zwischen Berufstätigkeit und Familie die Balance zu finden. “Die richtige Reaktion darauf ist aber nicht, sich auf einen schlechteren Status zurückzuziehen, sondern vom Gesetzgeber zu fordern, hier nachzubessern, damit Job und Familie leichter vereinbar werden.” Mühsam erkämpfte Errungenschaften für Frauen dürften nicht einfach über Bord geworfen werden. Die Gesellschaft sei noch immer weit entfernt von wirklicher Gleichberechtigung, Rollenklischees überall verbreitet.
Accounts von “Tradwives” vermitteln bisweilen ein sehr fundamentalistisch-christliches Bild. Bibelzitate sollen etwa belegen, wie eine gute Ehe und Rollenverteilung in der Familie auszusehen haben. “Das passt inhaltlich gut zusammen, weil in der Geschichte des Christentums diese Auslegung für Jahrhunderte dominiert hat, obwohl das vom biblischen Text her überhaupt nicht klar ist”, sagt Paganini. Entsprechende Bibelstellen könnten nicht einfach auf die Gegenwart bezogen werden, sondern müssten im kulturellen Kontext ihrer Entstehung betrachtet werden. Zu einer konservativen Bibelinterpretation passe das “klassische” Rollenbild derweil gut.