Text und Fotos: Heinz-Joachim Lohmann
Freitag, der 7.8.
Die Auseinandersetzung mit Gewalt und ihrer Überwindung begleitet das Regenbogenprojekt von Anfang an: Rassismus und soziale Deklassierung in Südafrika, USA, Paraguay und Serbien, der Nationalsozialismus in der Geschichte von Kreisau. In Israel, ähnlich wie an der Grenze zum Kosovo und seit der Teilnahme weißer Menschen aus Südafrika, arbeiteten Jugendliche zusammen, die durch ihre Herkunft in langjähriger gegenseitiger Abneigung verbunden sind. Die Erfahrungen, Resultate und Schlussfolgerungen aus Krieg und Bürgerkrieg sind ebenfalls wesentlich für Beginn und Verlauf der unterschiedlichen Begegnungen. Die Überwindung der deutschen Teilung als Folge des zweiten Weltkrieges gehörte zu den Grundüberlegungen, den Austausch und den Bau der Spielplätze in Gang zu setzen. Die biblische Regenbogengeschichte setzt einen neuen Anfang nach einer Zeit des Durcheinanders und der Vernichtung. Damit wurde sie für uns zum Symbol des Aufbruchs in Deutschland und Südafrika in der Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
Bei einem Projekt in der Nähe von Berlin war von Anfang an klar, dass die nationalsozialistischen Verbrechen eine Rolle spielen müssen. Genauso klar war, dass die Geschichte zwischen Deutschen und Juden sehr sensibel angegangen werden muss, um die arabisch – israelische Seite nicht auszuschließen.
Wir beginnen mit einem allgemeinen Abend über Gewalt. Die Family – Groups sind eingeladen, sich eine „klassische“ Konfliktsituation vor Augen zu führen und Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Die von den Gruppen entwickelten Szenarien reichen von innerfamiliären Auseinandersetzungen über Gewalt auf der Straße und in der Nachbarschaft bis hin zu kriegsähnlichen Geschehnissen. Bei den Ansätzen zur Überwindung wurden als Strategien Gespräch und Verständnis, Vergebung, Versöhnung und Brückenbau über unüberwindliche Gräben vorgestellt.
Am Abend danach geben wir eine Einführung in die Ereignisse von 1933 – 1945, die für die südafrikanischen Teilnehmenden kaum und die israelischen wenig präsent sind. Wir sprechen über Deutschland nach dem 1. Weltkrieg und die Wahl von 1933, das Ermächtigungsgesetz und das Bestreben der Nationalsozialisten alle umzubringen, die ihnen nicht ins Konzept passten. Das Streben nach Vergebung und Versöhnung nach dem 2. Weltkrieg und die Übereinkunft, dass das nie wieder geschehen soll.
Am Donnerstag besuchen wir das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen. Es war Ausbildungsort für die SS, Testlager für das gesamte KZ-System und die Zentrale von der aus die Vernichtungslager gesteuert wurden.
Im Anschluss an den Besuch findet ein Gespräch in der Gruppe mit dem Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Prof. Günter Morsch, statt. Die Frage nach der Bedeutung der Erhaltung der Stätten des nationalsozialistischen Terrors gibt er zunächst an die Gruppe zurück. Dabei sagt Amir, ein jüdischer Israeli, dass nach dem Besuch wohl klar sei, dass diese Form fabrikmäßigen Mordens sich mit keinem Geschehen der Gegenwart vergleichen ließe. Daraufhin explodiert Samia, arabische Israelin mit der Bemerkung, dass das alles schon sehr lange her sei und aktuell die israelische Armee sehr brutal und vernichtend mit der arabisch-palästinensischen Bevölkerung umgehe. Roi, ebenfalls ein jüdischer Israeli, stellt fest, dass im Blick auf den Konflikt zuhause, jeder sich selbst als Opfer und die anderen als Täter sieht und es keinen Sinn ergibt, sich ständig alles gegenseitig aufzurechnen. Eine Lösung sei nur durch den Beginn eines voraussetzungsfreien Dialogs möglich. Danach treten der arabische und jüdische israelische Teil unserer Gruppe in ein sehr intensives Gespräch über ihre Emotionen im Blick auf das Leben in ihrem Heimatland ein. Die Jugendlichen aus Deutschland und Südafrika hören aufmerksam und mitfühlend zu, enthalten sich aber bei diesem sensiblen Gegenstand jeglichen eigenen Kommentars.
Schließlich gibt Prof. Morsch noch eine eigene Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit des Erhaltes der Gedenkstätten: Es brauchte nur zwölf Jahre, um von einem hohen Stand der Zivilisation in die Barbarei zurückzufallen. Das Bewusstsein dieser Gefährdung muss lebendig bleiben.