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Von den Tränen der Syrer

Tarek Bashour musste aus Syrien fliehen. Der Christ und Rechtsanwalt hat sich mit viel Energie daran gemacht, Deutsch zu lernen und einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Jetzt hat er ein Buch über die Kirchen in Syrien veröffentlicht

– Sie sind als Christ aus Syrien nach Deutschland geflohen – warum?
Meine Entscheidung, Syrien zu verlassen, hatte mit meiner Religion nichts zu tun, vielmehr lag das bei mir, wie auch bei vielen anderen Syrern, an der Menschlichkeit. Ich selbst bin geflüchtet, weil ich nie andere Menschen töten kann, und natürlich nicht getötet werden will. Ich wurde aufgefordert, für die Armee zu kämpfen. Das war für mich ausgeschlossen, abgesehen davon, wer recht hat und wer nicht.

– Was waren Ihre ersten Eindrücke von Deutschland?
In Syrien bezeichnet das Wort „Ausländer“ etwas Schönes. Hier in Deutschland klingt es aber wie ein Schimpfwort. Vielleicht liegt das daran, dass sich viele Ausländer nicht integriert haben. Jedoch war mein erster Eindruck, dass ein Ausländer in diesem Land für immer Ausländer bleibt.

– Wie ist Ihr Leben verlaufen, seitdem Sie angekommen sind?
Zuerst musste ich mich damit abfinden, dass ich nicht mehr der Herr Rechtsanwalt bin, sondern eher ein hilfsbedürftiger Mensch, der nicht mal seine eigenen Sachen allein erledigen kann. Danach war es mir einfacher, mit dem Leben hier umzugehen. Nachdem ich die Sprache relativ gut konnte, habe ich angefangen, an der Uni Mainz ein Magister Juris (Magister Legum LL.m) zu machen. Während meines Studiums habe ich zur Finanzierung meines Lebens immer nachts gearbeitet. Nach dem Studium habe ich einige Stellen gewechselt und am Ende bin ich in der Ausländerbehörde in Wismar gelandet.

– Inzwischen sprechen Sie sehr gut Deutsch und haben sogar ein Buch veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Von Anfang an habe ich festgestellt, dass man hier in Deutschland ohne die Sprache nichts machen kann. Es war mir auch klar, dass ich nicht zurückkehren kann. Die einzige Möglichkeit für mich war, Deutsch zu lernen. Mich auf Deutsch verständigen zu können, war mir nicht ausreichend, da ich im Bereich Jura weiterstudieren wollte. In diesem Bereich haben eigentlich die Deutschen Schwierigkeiten mit der Sprache. Ein Jahr lang habe ich jeden Kontakt mit meinen Landesleuten abgebrochen und nur mit Deutschen auf Deutsch geredet. Langsam hat es geklappt.

– In dem Buch geht es um die Zerstörung von christlichen Kirchen und Gemeinderäumen im syrischen Bürgerkrieg …
Das war möglich mit Hilfe eines EKD-Projekts, auf das ich durch Empfehlung eines Freundes aufmerksam wurde. Dort habe ich meine Vorstellung dargestellt. Über die Arbeitsweise und die wichtigen Punkte waren wir einig. Dann habe ich Anfang 2016 mit Unterstützung der EKD angefangen, die Zerstörung der Sakraltopographie zu dokumentieren.

– Erzählen Sie in dem Buch von Gebäuden oder von Menschen?
Leider geht es in diesem Buch hauptsächlich um die Gebäude. Jedoch habe ich dafür gesorgt, dass die Menschen zwischen den Zeilen auch mit dabei sind. Die Leserinnen und Leser des Buches können leicht die Tränen der Syrer auf den Seiten sehen. Sie können die Verzweiflung spüren. Und wenn sie richtig zuhören, hören sie bestimmt die Schreie der Müttern, die ihre Kinder zwischen den Ruinen suchen.  

– Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?
Ich bin als gut qualifizierter Mann eingestuft. Ich versuche auch mich immer weiterzuentwickeln. Im September 2018 nehme ich wieder ein Masterstudium auf. Arbeitsmöglichkeiten gibt es in Deutschland genug. Was die wirtschaftliche Seite meiner Zukunft angeht, mache ich mir deswegen keine Sorgen. Jedoch was mich beunruhigt, ist die allmähliche Spaltung der Gesellschaft. Immer wieder tauchen mehr Ausländerfeindliche auf, die zwischen integrierten und desintegrierten Ausländern gar nicht unterscheiden. Und ich bin überempfindlich. Wenn ich einmal merke, dass die Gesellschaft mich nicht akzeptiert oder ausgrenzt, würde ich ohne Weiteres Deutschland verlassen. Ich hoffe aber, dass ich so was nicht erleben muss. Die Stabilität fehlt mir und ohne die Stabilität hat man kein Heimgefühl. Interview: leg

– Tarek Bashour, Susanne Böhringer, Martin Illert: Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden: Die Zerstörung der christlichen Sakraltopographie in Syrien, Fromm-Verlag, 80 Seiten, 12,80 Euro.