Der nordrhein-westfälische Landtag will die Ereignisse rund um den Messeranschlag von Solingen in einem Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Dabei solle es vor allem um die gescheiterte Abschiebung, die Motive und die Radikalisierung des tatverdächtigen Syrers gehen, erklärten die Regierungsfraktionen CDU und Grüne am Donnerstag in Düsseldorf. Auch die FDP hatte einen solchen Schritt vorgeschlagen. SPD-Fraktionschef Jochen Ott fordert einen Sonderermittler, um die Arbeit des Ausschusses zu beschleunigen.
In einer gemeinsamen Sondersitzung des Innen- und Integrationsausschusses forderte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) eine sachliche Debatte über den Anschlag vom vergangenen Freitag, bei dem ein Attentäter in Solingen mit einem Messer drei Menschen getötet und acht verletzt hatte. „Hetze hilft uns nicht weiter“, sagte er. Alle Beteiligten sollten der Versuchung widerstehen, diese Tat zu instrumentalisieren. Zudem dürften nicht alle Zugewanderten über einen Kamm geschoren werden: „Hunderttausende Flüchtlinge, die vor Terror geflohen sind, leben friedlich in unserem Land.“
Welche Maßnahmen als Lehre von Solingen bei den Sicherheitsbehörden sinnvoll seien und umgesetzt werden könnten, müsse erst geprüft werden, sagte der CDU-Politiker. Man dürfe den Menschen nicht „die totale Sicherheit“ vorgaukeln, denn die gebe es nicht. Deshalb sei es wichtig, konkrete Lücken im System zu suchen und diese nach und nach schließen. Reul sprach sich dafür aus, weniger Menschen nach Deutschland einreisen zu lassen, die keine Bleibeperspektive haben. Die Probleme seien nicht allein durch Abschiebungen lösbar. „Aber wir müssen da besser werden“, räumte der Minister ein.
Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) sprach sich dafür aus, die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Abschiebungen neu zu organisieren. Sie verwies erneut auf die Schwierigkeiten im „dysfunktionalen“ System der Dublin-Überstellungen von Asylsuchenden in andere EU-Länder. Lediglich 10 bis 15 Prozent der genehmigten Überstellungen würden tatsächlich umgesetzt. Zwischen Bund und Ländern würden nun Gespräche aufgenommen, um das zu verbessern.
Paul forderte, die Verantwortlichkeiten stärker in einer Hand beim Bund zu bündeln. Aktuell sind die Zentralen Ausländerbehörden vor Ort für die Abschiebungen zuständig, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) angeordnet werden. Zudem schlug Paul eine bundesweite Plattform für die Stornierung von Flugbuchungen für die Abschiebungen vor, damit die wenigen verfügbaren Plätze effektiver genutzt werden könnten. Die teils sehr eingeschränkten Bedingungen für Überstellungen müssten verbessert werden. Bulgarien akzeptiere viele Gesuche, diese seien aber faktisch kaum umsetzbar, weil die Vorgaben zu restriktiv seien.
SPD-Fraktionsvorsitzende Lisa Kapteinat kritisierte, Paul hätte das System in NRW als verantwortliche Ministerin besser steuern müssen. Der integrationspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Marc Lürbke, forderte von der Landesregierung, mehr gegen Islamismus zu tun. NRW stehe besonders im Fokus von Extremisten. „Da müssen wir ran“, sagte er und forderte, Radikalisierern im Netz und offline die Räume zu nehmen und einen stärkeren Fokus auf Prävention zu legen. Reul erklärte, es sei noch nicht klar, wie der mutmaßliche Attentäter von Solingen sich radikalisiert habe. Dem Mann werden unter anderem dreifacher Mord und die Mitgliedschaft in der islamistischen Terrororganisation IS vorgeworfen.
Der Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion, Markus Wagner, sprach mit Blick auf den Anschlag von „komplettem Staatsversagen auf allen Ebenen“. Reul widersprach: Polizei und Rettungskräfte seien schnell vor Ort gewesen und hätten Schlimmeres verhindert. Zudem sei der Tatverdächtige innerhalb von 24 Stunden gefasst worden. Anders als zunächst dargestellt, habe der Mann sich nicht selbst gestellt, sondern sei von einer Polizeistreife aufgegriffen worden.