Am 14. Februar 1016 wurde nach dem Zeugnis der „Vita Meinwerci“, der Lebensbeschreibung des Paderborner Bischofs Meinwerk, eine Benedikt-Kapelle als Grundlage für das spätere Abdinghofkloster geweiht. Anlässlich der 1000-Jahr-Feier zur Gründung des Abdinghofes blickt die Sonderausstellung „1000 Jahre Abdinghof – Gebaut, geschrieben und gemalt“ im Paderborner Museum Kaiserpfalz des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und in der Abdinghofkirche zurück auf die wechselvolle Geschichte von Kloster und Kirche. Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit von LWL, evangelisch-lutherischer Kirchengemeinde Paderborn-Abdinghof und dem Verein für Altertumskunde Westfalen, Abteilung Paderborn, entstanden ist, ist bis zum 23. Oktober zu sehen.
Die Botschaft der beiden Testamente im Gegenüber
Die Abdinghofkirche wurde Anfang des 19. Jahrhunderts mit dem Einzug der Preußen in das Hochstift Paderborn säkularisiert, das Benediktiner-Kloster in eine Kaserne für preußisches Militär umgewandelt. Als die repräsentative Kirche mit ihren zwei markanten Spitzhelmtürmen, die am 11. April 1866 schließlich in das Eigentum der evangelischen Kirchengemeinde überging und nach einer längeren Zeit des Verfalls wiederaufgebaut war, am 25. April 1871 feierlich eingeweiht wurde, waren Triumphbogen und Chorraum zuvor von dem Kölner Maler Michael Welter ausgemalt worden. Doch 40 Jahre später hatte Feuchtigkeit der Bemalung an der östlichen Chorwand so zugesetzt, dass der Wunsch nach einer neuen Bemalung aufkam. Zudem sollte auch das Kirchenschiff ausgemalt werden.
Als Sieger aus einem Wettbewerb ging der Berliner Kirchenmaler Ernst Pfannschmidt (1868-1949) hervor. Von ihm existieren noch heute Mosaiken in der Himmelfahrtkirche in Jerusalem, in der Christuskirche in Rom und das Altarmosaik in der Michaeliskirche in Hamburg.
In sechs großformatigen Gemälden (zehn Meter lang und drei Meter hoch) setzte Pfannschmidt seine zuvor präsentierten, im verkleinerten Maßstab gefertigten Karton-Entwürfe in den Jahren 1916 bis 1919 auf den Wänden des Kirchenschiffs um: Auf der rechten, südlichen Seite entstanden Motive aus dem Alten Testament, auf der linken, nördlichen Seite Motive aus dem Neuen Testament. Jedes der drei Bilderpaare stellte den Taten des Mose das Werk Jesu gegenüber.
Wer die Kirche über den westlichen Haupteingang betrat, sah zunächst einander gegenübergestellt das Bilderpaar „Mose empfängt die Gesetzestafeln“ zur Rechten und „die Geburt Jesu“ zur Linken. Dabei ist etwa an das beide verbindende Bibelwort zu denken: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben, die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ (Johannes 1,17) In der Mitte standen sich die Motive „Mose errichtet die eherne Schlange“ (4. Mose 21) und „Jesus heilt Kranke“ gegenüber. Hier könnte man an das Bibelwort erinnern: „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben“ (Johannes 3,14). Das dritte Bilderpaar verband die Szene „Mose schlägt Wasser aus dem Felsen“ (4. Mose 20) mit dem letzten Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern.
In der Ausschreibung für die Ausmalung der Kirche war zudem von den drei Ämtern Christi die Rede, die bildlich dargestellt werden sollten. Traditionell gemeint damit ist das prophetische Amt Christi als Offenbarer des göttlichen Heilswillens (Wandbilder im Kirchenschiff), das priesterliche Amt Christi mit seiner Fürbitte und seinem Sühneopfer am Kreuz (Kreuzigungsdarstellung im Chorraum) und das königliche Amt Christi mit seiner Herrschaft als König in der Welt, in der Kirche und im Himmel (Ausmalung des Triumphbogens). Das geschah in den Jahren 1926 bis 1927.
Der Chorraum war ganz dominiert von der Kreuzigung Jesu und seiner Vorgeschichte. Auf der nördlichen Seite der Chorwand war der Verrat des Judas dargestellt, auf der südlichen die Verurteilung durch Pontius Pilatus. Die mittlere, östliche Chorwand zeigte die Kreuzigung. Den dem Chorraum vorgelagerten Triumphbogen prägte die Darstellung der „Majestas Domini“, also des herrschenden Christus, dem beiderseits zwei Posaunenengel zugeordnet waren. Darunter war in Weiß die große Zahl der Seligen dargestellt.
Im März 1945 wurde die Kirche durch Bombenangriffe schwer beschädigt. Seit ihrem Wiederaufbau (bis 1951) zeichnet sie sich durch einen schlichten Innenraum im romanischen Baustil ohne Bemalung aus.
Von den Gemälden im Chorraum und auf dem Triumphbogen existieren heute nur noch Schwarz-Weiß-Fotografien und kleine Entwürfe. Im Rahmen der Sonderausstellung werden im südlichen Seitenschiff der Kirche fünf noch erhaltene originale Karton-Entwürfe für die Bemalung des Mittelschiffs auf Stellwänden gezeigt. Sie wurden in den 1980er Jahren auf Holzplatten aufgezogen und in je drei Teile geschnitten. Historische Fotos von der Ausmalung der Kirche vermitteln einen Gesamteindruck. Von den übrigen Bemalungen sind nur Fragmente der Entwürfe erhalten. Sie stammen weitgehend aus der Familie Pfannschmidt und werden in den Vitrinen präsentiert.
Seltenes, Sakrales und Gefundenes
Über die Baugeschichte informiert die Ausstellung im LWL-Museum Kaiserpfalz. Die hier gezeigten Bücher aus der Klosterbibliothek, die sich heute im Besitz der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek in Paderborn befinden, geben einen Eindruck von der geistigen Auseinandersetzung im Kloster. Zu sehen sind zudem seltene Handschriften, sakrale Kunstwerke und Objekte sowie archäologische Funde aus dem Bestand des ehemaligen Klosters.
Ein Rahmenprogramm aus Vorträgen, museumspädagogischen Angeboten und Konzerten begleitet die Sonderschau. Außerdem ist soeben eine Publikation zur Klostergeschichte mit neuesten Forschungsergebnissen und Vorstellung der Exponate erschienen. Darin stellt unter anderem Maria Harnack, Wissenschaftlerin an der Universität Paderborn am Lehrstuhl für materielles und immaterielles Kulturerbe, in einem Aufsatz die Entstehung der Pfannschmidt-Ausmalung dar.
- Die Ausstellung in der Abdinghofkirche ist täglich von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Das Museum Kaiserpfalz ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Internet: www.kaiserpfalz-paderborn.de.
- Buchhinweis: Martin Kroker, Roland Linde, Andreas Neuwöhner (Herausgeber): 1000 Jahre Abdinghof. Von der Benediktinerabtei zur evangelischen Kirche Paderborns. Ferdinand Schöningh, 198 Seiten, 24,90 Euro.