Der Buß- und Bettag gilt den Protestanten traditionell als Tag der Umkehr und Neuorientierung. Und das ist durchaus auch politisch zu verstehen: „Die vielen tausend Menschen, die derzeit auf der Flucht vor Hunger, Terror und Verfolgung sind und die unter anderem Zuflucht in Deutschland suchen, führen uns vor Augen, wie viel Gewalt und Ungerechtigkeit es in der Welt gibt“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford-Strohm, zum Buß- und Bettag. Er wird in diesem Jahr am 22. November begangen. Das könne ein Datum sein, „an dem wir uns verpflichten, dass wir dieses Unrecht nicht länger gewillt sind hinzunehmen“.
Er rief dazu auf, „unsere Energien darauf zu richten, dass nicht nur wir, sondern dass alle Menschen in Frieden und Freiheit leben können“. Zusammen mit der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck will die bayerische Landeskirche den Buß- und Bettag hochhalten und startet dazu seit einigen Jahren Öffentlichkeitskampagnen.
Evangelische Gemeinden laden zu Andachten ein
„Wer betet, findet auch die Sprache für Buße und die Kraft zum Neuanfang, im Persönlichen wie im Gesellschaftlichen“, erläutert der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm, der an der Spitze des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) steht: „Das Faszinierende an der Buße ist: Gerade da, wo wir anerkennen oder bekennen, dass wir in einer Sackgasse gelandet sind, geht es weiter. Das gilt für das persönliche Leben genauso wie in der Politik.“
Evangelische Gemeinden laden am Buß- und Bettag zu Gottesdiensten oder Andachten ein. Um welches Thema es auf den Kanzeln geht, bleibt der Entscheidung des einzelnen Predigers überlassen. „Eine gute Predigt zum Buß- und Bettag muss inhaltlich klar sein und darauf hinweisen, dass es bei Buße nicht um ein Abbüßen von einzelnen Verfehlungen geht“, stellt der Praktische Theologe Reinhard Schmidt-Rost fest. Der Bonner Theologieprofessor ist Vorsitzender der Jury des Deutschen Predigtpreises und liest jedes Jahr viele hundert Predigten von Pfarrern, die sich um den Preis bewerben.
Bei der Buße gehe es um einen radikalen Sinneswandel, betont Schmidt-Rost. Eine gute Bußtagspredigt könne zum Beispiel an den „ganz vitalen Ängsten“ anknüpfen, „die jeden, der hierzulande in Ruhe und Frieden lebt, befallen, wenn er Berichte von Terroranschlägen, Flüchtlingstrecks und Kriegen hört und liest“. Bestenfalls könne die Predigt dazu beitragen, „die Ängstlichen zur Hilfe zu ermutigen und die Mutigen in ihrem Tatendrang einen Moment innehalten zu lassen, um sich auf die Quelle ihrer Kraft zu besinnen“, sagt der Theologe. Die Botschaft zum Buß- und Bettag formuliert er so: „Denkt um, überprüft eure Einstellungen zum Leben, zum Nächsten, zum Fremden, zu Gott.“
Schon beim ersten Buß- und Bettag hatte die Politik ihre Finger mit im Spiel: Es war im Jahr 1532, als man im evangelischen Straßburg erstmals zu einem Buß- und Bettag aufrief. Anlass war die sogenannte „Türkengefahr“, die Bedrohung des christlichen Abendlandes durch eine islamische Macht. Staatlich angeordnet sollte gegen die Kriegsgefahr gebetet werden. Diese politische Instrumentalisierung christlicher Frömmigkeit griff um sich: Im 16. und 17. Jahrhundert kam es zu einer regelrechten Inflation von Buß- und Bettagen. 1878 dann gab es in Deutschland 47 Bußtage an 24 Terminen.