Weniger Kirchenmitglieder, weniger Personal: Die katholische Kirche muss sich auf kleiner werdende Spielräume einstellen – auch wenn die Kirchensteuereinnahmen gerade leicht gestiegen sind.
“Auf dem Kissen der Kirchensteuer kann man sich auf Dauer nicht mehr ausruhen”, sagt der emeritierte Eichstätter katholische Bischof Gregor Maria Hanke. “Darauf müssen wir uns vorbereiten und uns nach neuen Quellen umsehen.”
Auf den ersten Blick müsste man Hanke widersprechen. Nach der am Freitag bekanntgewordenen Kirchensteuer-Statistik der Deutschen Bischofskonferenz haben die 27 katholischen Bistümer 2024 wieder ein leichtes Plus eingefahren. 6,62 Milliarden Euro wurden in die Kassen der Kirche gespült – gut 113 Millionen Euro mehr als im Vorjahr und fast so viel wie in den Rekordjahren 2022 und 2021, als 6,84 Milliarden Euro und 6,73 Milliarden Euro verbucht wurden.
Bereits Ende April hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) einen ähnlichen Trend verkündet: Die 20 evangelischen Landeskirchen haben 2024 rund 5,97 Milliarden Euro eingenommen, ein Prozent mehr als im Vorjahr.
Gar nicht so übel also. Doch nicht nur die Finanzexperten der Bistümer warnen. Im April hatte auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bilanziert, dass die Kirchen immer weniger Geld zur Verfügung hätten. “Inflationsbereinigt sinken die Einnahmen seit Jahren – ein Trend, der sich angesichts der demografischen Entwicklung fortsetzen wird.”
Von dem leichten Anstieg werde nicht viel übrig bleiben, mahnten die Wirtschaftsexperten aufgrund einer eigenen Berechnung, die von einem Plus von 100 Millionen Euro ausging. “Inflationsbereinigt haben die Kirchen in diesem Jahr rund 150 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Im Vergleich zu 2019 sind die realen Einnahmen um fast 20 Prozent zurückgegangen.”
Auch mittelfristig sei nicht mit spürbar steigenden Einnahmen zu rechnen, so das Institut, das auf seiner Internetseite eine einleuchtende Grafik veröffentlichte. Der Abstand zwischen den Nominal-Einnahmen und preisbereinigten Einnahmen wird dabei bis 2029 immer größer. Gegen Ende des Jahrzehnts, so die Prognose, könnte bei einer anziehenden Wirtschaft immerhin das nominale Niveau des Jahres 2022 von gut 13 Milliarden Euro für beide Kirchen wieder erreicht werden. 2024 waren es rund 12,6 Milliarden.
Die Kirchensteuer wird als Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer erhoben. Ihre Entwicklung hängt deshalb nicht nur mit steigenden Austrittszahlen, sondern auch mit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem demografischen Wandel zusammen: Jüngere Jahrgänge, die überwiegend noch im Erwerbsleben stehen, sind deutlich seltener kirchengebunden als die Generation der Babyboomer, die nach und nach in den Ruhestand tritt. Rentner zahlen nur dann Kirchensteuer, wenn sie auch Einkommenssteuer bezahlen. 2016 machten die Einnahmen aus der Kirchensteuer laut IW etwa fünf Prozent der Einkommensteuer aus. Bis 2029 wird dieser Anteil auf etwas mehr als drei Prozent sinken.
Schon jetzt sehen sich viele katholische Bistümer unter Spardruck. Das Bistum Passau teilte kürzlich mit, dass es Ende 2025 ein Loch von rund sechs Millionen Euro in der Kasse erwarte. Das Bistum Mainz erklärte, man habe das Geschäftsjahr 2024 mit einem Überschuss von 23 Millionen Euro abgeschlossen. Zu rechnen sei aber mit einem Rückgang des Kirchensteueraufkommens in den nächsten Jahren. Daher verfolge das Bistum weiter einen Sparkurs. Schrittweise müssten die Ausgaben um rund 25 Prozent reduziert werden.
Die Spielräume werden kleiner. Eine Debatte über kirchliche Prioritäten scheint unausweichlich. Der Limburger Bischof Georg Bätzing sieht die Kirche angesichts schwindender personeller und finanzieller Mittel vor erheblichen Richtungsdebatten.
“Vieles, was wir bisher geleistet haben, auch für die Gesellschaft, für den Zusammenhalt der Kulturen in unserem Land und für das Ansehen und Aussehen der Kirche, werden wir in Zukunft nicht mehr leisten können”, betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in einem 2024 erschienenen Buch.
Es stehe ein wirkliches Ringen um Prioritäten bevor, so Bätzing weiter. Gefordert sei ein Mix, um mit den eklatant zurückgehenden Ressourcen möglichst breite Wirkung zu erzielen: “Wir sollten uns stärker auf Wirkungen konzentrieren. Welcher Einsatz bewirkt was? Auch da brauchen wir Ehrlichkeit. Und das wird hart werden”, fügte der Bischof hinzu.