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Trauerbegleiterin: Den “Tod neben der Regel” erklären

Kinder und Jugendliche durchleben Trauergefühle so wie Erwachsene auch. Aber ihre Reaktionen darauf sind anders. Das Todesverständnis von Kindern entwickele sich erst nach und nach – wie laufen oder schreiben, sagt Trauerbegleiterin Tina Geldmacher aus Köln im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sterbe ein Geschwisterkind, sei das eine spezielle Situation. Da müsse das trauernde Kind lernen, „dass es leider Tod neben der Regel gibt“ und dass so etwas nur sehr selten vorkomme.

epd: Warum erleben Kinder und Jugendliche Trauer anders?

Tina Geldmacher: Kinder leben viel mehr im Hier und Jetzt als Erwachsene. Sie können in einem Moment tieftraurig sein, im anderen mit Freude ein Eis essen. Ich benutze gern dieses Bild: Kinder springen in Trauerpfützen – Erwachsene durchleben Trauer mehr in Wellen, da geht der Gefühlswechsel nicht so abrupt.

epd: Wie gehe ich mit einem trauernden Kind um?

Geldmacher: Ganz wichtig ist Transparenz. Das heißt, reden Sie mit dem Kind auf Augenhöhe, geben Sie ihm die Chance, sich von der verstorbenen Person zu verabschieden, nehmen Sie das Kind mit zur Beerdigung. Wichtig ist dabei, dass dies alles Angebote sind, die Sie dem Kind machen. Es darf dann frei entscheiden, ob es das Angebot annimmt. Erklären Sie dem Kind vorher, was es erwartet, das gilt sowohl fürs Verabschieden als auch für die Beerdigung. Vielleicht können Sie vorher mit dem Kind die Kleidung aussuchen, die die verstorbene Person anzieht – also immer das Kind mit einbeziehen und teilhaben lassen, damit es sich ernst genommen fühlt.

epd: Wie erkläre ich den Tod?

Geldmacher: Ich kann einem Kind erklären, was mit dem Körper ist, wenn jemand tot ist. Dass da die Organe nicht mehr funktionieren, dass der Opa da jetzt auch gar nichts mehr körperlich spürt, also er hört keinen Witz mehr, aber er hat auch keine Schmerzen. Ich kann dem Kind sagen, schau Dir den Opa an: Der liegt da zwar, aber er sieht verändert aus. Es ist nur noch eine Hülle.

epd: Was antworte ich auf die Frage, wo ein Mensch nach dem Tod ist?

Geldmacher: Da stelle ich dem Kind immer gerne die Gegenfrage: Was glaubst du denn, wo er ist? In der Regel haben die Kinder ganz tolle Ideen und das sind auch schöne Aufhänger für Gespräche. Was glaubst du denn, was glaube ich? Kannst du damit etwas anfangen, mit dem, was ich glaube? Das ist total spannend. Ich kann sagen, lass uns zusammen überlegen, wie es dem Verstorbenen geht: Wie sieht es da aus, an dem Ort, wo er jetzt ist, trifft er jemanden?

epd: Trauert ein Kind anders um seinen Opa als um sein Geschwisterkind?

Geldmacher: Sicher. Geschwisterkind oder Elternteil ist natürlich noch mal ganz speziell. Beim Opa hat das Kind vielleicht vorher schon gelernt, dass man irgendwann stirbt, wenn man alt ist, weil das Leben dann einfach vorbei ist. Aber ein Geschwisterkind wird ja in der Regel einen Unfall oder eine Krankheit gehabt haben. Da muss das Kind lernen, dass es leider Tod neben der Regel gibt. Und da können sich ja noch mal ganz andere Fragen entwickeln: Wenn da ein Kind stirbt, kann ich denn als Kind jetzt auch sterben? Oder warum sterben mein Papa oder meine Mama, die waren ja auch nicht so alt wie der Opa. Man muss dann erklären, dass das nicht die Regel ist und dass das nur ganz selten vorkommt.

Es kann passieren, dass wenn beispielsweise der Papa einen Herzinfarkt hatte, dass das Kind Herzschmerzen bekommt. Dann rate ich immer dazu, zu sagen: Okay, dann klären wir das ab. Ich rate den Eltern, zum Kinderarzt zu gehen. So können alle sicher sein, dass alles in Ordnung ist. Außerdem fühlt sich das Kind in seiner Sorge so ernst genommen.

epd: Wie unterscheidet sich die Trauer eines Fünfjährigen von der eines 15-Jährigen?

Geldmacher: Natürlich reagiert ein Fünfjähriger ganz anders als ein 15-Jähriger. Junge Menschen, die schon in der Pubertät sind, beschäftigen sich ja viel mit dem Thema Endlichkeit, ziehen sich zurück, lösen sich von den Eltern. Da sind die Freunde als Ansprechpartner häufig viel wichtiger als die Eltern.

Bei trauernden Jugendlichen ist es wichtig zu erkennen: Ist es jetzt ganz normale Pubertät oder ist das Trauer? Jugendliche haben ganz eigene Methoden, um ihre Gefühle auszudrücken und mit ihren umzugehen. Musik ist ein großes Thema, in allen Varianten und auch tatsächlich diese unbeliebten Computerspiele. Das ist für eine gewisse Zeit okay. Wenn das mehr wird, dann muss ich Hilfe anbieten.

epd: Was ist, wenn ich denke, mein Kind braucht Hilfe?

Geldmacher: Es ist wichtig, grundsätzlich von Anfang an den Jugendlichen Gespräche anzubieten – und erstaunlicherweise nehmen sie es manchmal an. Also immer Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, immer wieder, auch wenn’s nicht angenommen wird, aber eben auch nicht dreimal am Tag das Kind nerven. Es muss denen klar sein: Wenn ich will, kann ich da hingehen.

epd: Wo können junge Menschen außerhalb der Familie Hilfe bekommen?

Geldmacher: Natürlich sind Freunde, ihre Peer Group ganz wichtig, aber manchmal will man auch nicht, dass es jemand merkt, dass man sich Hilfe holen möchte. Dafür gibt es den anonymen Trauerchat www.doch-etwas-bleibt.de und die mehrsprachige Mail-Beratung www.da-sein.de.