Christliche Gruppen wie der “Marsch für das Leben” heizen die Debatte um die Liberalisierung von Abtreibung an. Aus Sicht der Theologin Nothelle-Wildfeuer ist das der Sache wenig dienlich. Was sie stattdessen vorschlägt.
In der Debatte um die Liberalisierung von Abtreibung mahnt die Freiburger Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer die katholische Kirche zur Sachlichkeit. “Will die Kirche in der aktuellen Entwicklung glaubwürdig sein, so muss in ihrem Argumentieren und Handeln deutlich werden, dass es um den Schutz des Lebens und nicht primär um den Schutz der Lehre geht”, sagte sie am Montag der Internetseite “kirche-und-leben.de”. “Es ist und bleibt eine wichtige Aufgabe der Kirche, Lobby zu sein für das ungeborene Leben.”
Eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission hat am Montag in Berlin ihre Empfehlungen zur Neuregelung von Abtreibungen vorgestellt. Sie rät, Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen grundsätzlich zu erlauben. Die katholische Kirche kritisierte die Vorschläge und plädierte dafür, an der gegenwärtigen Regelung festzuhalten.
Nach Auffassung von Nothelle-Wildfeuer hat die katholische Kirche mit dem Ausstieg aus der Schwangerschaftskonfliktberatung 1999 ihr Potenzial für die aktuelle Debatte Potenzial eigentlich verspielt. Ein Signal in der Debatte wäre aus ihrer Sicht, in dieses Beratungssystem wieder einzusteigen.
Im Vordergrund der aktuellen Debatte steht nach Worten von Nothelle-Wildfeuer die Frage nach dem Recht der Frau auf ihren eigenen Körper und auf ihre autarke Entscheidung. “Es geht letztlich um eine Frage der Freiheit, die gegenwärtig eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Dabei ist es eine Signatur unserer Zeit, dass Freiheit zunehmend fokussiert wird auf die eigene Freiheit. Oft wird sie nicht als Selbstbindung verstanden, die Verantwortungsdimension gerät in diesem Fall in den Hintergrund.”
Die Debatte um die Abtreibung ist laut Einschätzung der Theologin auch eine Gegenreaktion auf das in der Abtreibungsfrage immer noch spürbare Bemühen der Kirchen um entsprechenden Einfluss, der aber aufgrund ihres Glaubwürdigkeitsverlustes zunehmend schwindet. “Es geht folglich um ein Kräftemessen zwischen Religion und Kirche sowie Staat und Gesellschaft – und letztlich um die Forderung nach einer deutlicheren Trennung von Kirche und Staat.”
Angeheizt werde die Debatte auch durch Aktionen wie dem “Marsch für das Leben”, so Nothelle-Wildfeuer. Zugleich rufe auch hierzulande die amerikanische Pro-Life-Bewegung eine gewisse Abwehrreaktion hervor. “Es handelt sich um Initiativen, die in ihrer Wirksamkeit für den Lebensschutz zumindest fragwürdig, wenn nicht sogar kontraproduktiv sind – und vor diesem Hintergrund scheint das ganze Thema nun neu aufgerollt zu werden.”