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Tansanischer Historiker: Kirchen sollen Kolonialzeit aufarbeiten

Der tansanische Historiker Valence Silayo fordert von den Kirchen in Deutschland mehr Nachdruck bei der Aufarbeitung von Verbrechen der Kolonialzeit. „Die Kirche muss sich der Wahrheit stellen“, sagte Silayo dem Evangelischen Pressedienst (epd). Missionare halfen in Tansania, Kolonialsysteme zu etablieren und zu betreiben. Auch erhielten sie logistische und finanzielle Unterstützung von Kaufleuten, die Kolonialinteressen vorantreiben wollten.

Es sei schwer, zwischen den Rollen der Missionare und der Kolonialverwaltung zu unterscheiden, erklärte Silayo. Die ersten deutschen Missionare, die in den 1840er Jahren nach Tansania kamen, seien zu Wegbereitern geworden. Ab 1885 stand das damalige Deutsch-Ostafrika offiziell unter deutscher Kolonialverwaltung. Die Missionsstationen waren auch Quartier für Beamte auf der Durchreise, Missionare aßen gemeinsam mit den Kolonialverwaltern, hissten die deutsche Flagge.

Die größte Verantwortung der Missionare sieht Silayo in einem „kulturellen Genozid“, der Zerstörung von Traditionen, Wertesystemen und Sprachen. Kirchen wurden zum Teil auf zerstörten Schreinen gebaut, Missionare zwangen die Gemeinschaften, kulturelle Schätze zu den Missionsstationen zu bringen. Ein Teil wurde verbrannt, ein anderer an Trophäensammler verkauft. „Das macht mich extrem traurig“, sagte Silayo, der aktuell im Stuttgarter Lindenmuseum zur Herkunft und Geschichte von Objekten aus seiner Heimatregion am Kilimandscharo forscht.

„Was die Kirchen unseren Vorfahren angetan haben, war nicht in Ordnung“, betonte Silayo, der selbst katholisch aufwuchs. „Sie müssen zugeben, dass die Missionare mitschuldig waren und eine zentrale Rolle dabei gespielt haben, afrikanische Kulturen zu zerstören.“

Dass bis heute Schädel und Gebeine von Menschen aus den Kolonien in deutschen Archiven und Sammlungen liegen, findet Silayo untragbar und unmoralisch. Er fordert, dass dringend ein würdiger Ruheort gefunden werden muss. Gerade die Kirche sei in einer Position und in der Pflicht, die Forderungen nach Restitutionen und Reparationen stärker zu unterstützen.

„Ihr habt getötet, brutale Gewalt eingesetzt, manche von uns entführt, unsere Kultur in Flammen gesetzt und Sachen mitgenommen. Wir wollen die Dinge zurück – und Reparationen“, lautet die Botschaft Silayos. Kirchen sollten es sich zum Ziel machen, den Gemeinschaften, denen sie viel genommen hätten, etwas zurückzugeben. Der Historiker wünscht sich zudem, dass die Kirchenarchive aus der Zeit zugänglich gemacht werden – im Idealfall auch in Englisch oder Kisuaheli.