Am 2. September begeht der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg den Schöpfungstag in Berlin-Köpenick. Dort feiern Kirchen und Kommune Treptow-Köpenick 30 Jahre Konziliarer- und Nachhaltigkeitsprozess. Unter Konziliarem Prozess versteht man den Lernweg christlicher Kirchen und Christen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Ausgerufen hat ihn der Weltrat der Kirchen auf seiner Versammlung 1983 in Vancouver. Klaus Wazlawik initiierte diesen Prozess in Berlin-Köpenick. Was er erreicht hat und was er sich für die Zukunft wünscht, erzählt er im Interview mit Sibylle Sterzik.
Wie kamen Sie dazu, sich im konziliaren Prozesses in Köpenick zu engagieren, was brachten Sie dafür für Voraussetzungen mit?
Meiner Meinung nach impliziert Christsein Nächstenliebe und den Einsatz für Gottes Schöpfung, so bin ich auch erzogen worden. 1986 kam ich über die Evangelische Akademie Berlin-Brandenburg mit der Vorbereitungsgruppe für eine Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der DDR in Verbindung. Dort wurde ich Berater für Ökologie und Ökonomie und habe in dieser Funktion an allen drei Ökumenischen Versammlungen in Dresden und Magdeburg, beide 1988 und Dresden 1989 teilgenommen. Diese Versammlungen, besonders die in Dresden 1989, haben mein weiteres Leben entscheidend geprägt.
Inwiefern hat Sie das geprägt?
Ich habe gemerkt, welchen Einfluss wir als Christen hatten und wie wir den Wandel mitgestalten konnten. Schon im Vorfeld der Versammlung hatten Christen in Köpenick wöchentliche Gesprächsreihen, die „Montagabende für alle“ organisiert. Themen waren etwa „Frieden durch Gerechtigkeit“, „Widersprüche in der Bibel“, „Partnerschaften mit Swasiland“ oder „Natur und Schöpfung bewahren“.
Was hat sich seitdem verändert und was konnten Sie erreichen?
Die Erfahrungen von Dresden in einer gemeinsamen Ökumene haben mich angetrieben, auch in Köpenick ökumenisch und zugleich kommunal orientiert zu arbeiten. Es kam auf meine Initiative hin zum Zusammenschluss von katholischen, evangelischen und freikirchlichen Gemeinden. Das waren zu Beginn 21 in Köpenick. Später kamen durch die Erweiterung des Stadtbezirks auf Treptow-Köpenick noch weitere hinzu. Heute sind es 27 Gemeinden. Verbunden wurde dieser Prozess dann in den 1990er Jahren mit dem Agenda21-Prozess, der mittlerweile seit 2021 in einer Kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie aufgegangen ist. Diese beruft sich unter anderem auf unsere Arbeit in der Kommunalen Ökumene und enthält Maßnahmen für die Umsetzung von Nachhaltigkeit im Bezirk bis 2030. Aktuell ist diese Strategie noch einzigartig in Berlin und wir sind sehr froh sie mitinitiiert und mitgestaltet zu haben.
Was ist das Besondere am Köpenicker Modell, die Verbindung des ökumenischen Konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung der Kirchen und der Nachhaltigkeitsstrategie der Kommune Treptow-Köpenick?
Das Besondere ist die Verknüpfung der christlichen Arbeit rund um Schöpfungsbewahrung, Klimagerechtigkeit und Frieden mit der kommunalen Umsetzung von Nachhaltigkeit für unseren Bezirk. Dadurch, dass die Kommunale Ökumene neben der restlichen Zivilgesellschaft und der Verwaltung selbst Akteurin im Bezirk ist, werden Kirchen kommunal stärker wahrgenommen und die Wirksamkeit kommunaler Umsetzung von Nachhaltigkeit erhöht sich meiner Meinung nach.
Wie sind die Kirchengemeinden der Ökumene eingebunden mit welchen Aufgaben?
Es gibt einige zentrale Maßnahmen, die durch die Kommunale Nachhaltigkeitsstrategie direkt in der Verantwortung der Kommunalen Ökumene liegt. Dazu gehört die Umsetzung von Nachhaltigkeit und ökofairer Beschaffung direkt in der Gemeinde, zum Beispiel durch die Arbeit mit dem Siegel Faire Gemeinde, die Umsetzung von globalem Lernen in Kirchengemeinden und die Förderung des interreligiösen Dialogs.

Wie fördert die Geschäftsstelle der Kommunalen Ökumene, die Sie leiten, diese Maßnahmen?
Dafür erarbeiten wir in der Geschäftsstelle der Kommunalen Ökumene an Projekten für und mit den Gemeinden und haben interessante Formate zum Mitmachen entwickelt. Das sind etwa das jährlich stattfindende Ökumenische Forum, der Ökumenische Wandertag zu Orten der Umsetzung von Projekten und zu Weltläden, Workshops und Austauschtreffen zum ökumenischen Siegel „Faire Gemeinde“ oder Austauschtreffen und Spielenachmittage zum interreligiösen Dialog. Wir bieten Bildungsangebote an und organisieren auch Ausstellungen. In der Kommune sind wir Teil des Konsultationskreises im Bereich Nachhaltigkeit.
Wie ließe sich das Köpenicker Modell in die Berliner Politik einbringen oder sogar bundesweit aufnehmen?
Grundsätzlich müssten drei Rahmenbedingungen erfüllt werden: die Schaffung einer Kommunalen Ökumene, ein gemeinsames Wirken im Konziliaren Prozess und die Verknüpfung mit dem beginnenden Nachhaltigkeitsprozess zum Beispiel von Berlin. Die erste Bedingung ist in Berlin praktisch durch den Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg (ÖRBB) erfüllt. Bei der Entwicklung der Berliner Nachhaltigkeitsstrategie sollte der ÖRBB, zusammen mit den Akteuren in Treptow-Köpenick, dann seine Erfahrungen einbringen.
Sie wollen sich allmählich aus der Arbeit zurückziehen. Wie kann Ihre Arbeit weitergeführt werden?
Ich setze große Hoffnung in die Weiterführung der Arbeit durch den aktuellen „verjüngten“ Vereinsvorstand und auf die Koordinatorin für kirchlichen Nachhaltigkeitsarbeit der Geschäftsstelle, Juliane Peschel-Paetzold, die nun schon seit drei Jahren meine Arbeit stark unterstützt. Allerdings ist es uns bisher noch nicht gelungen, für unsere besondere Arbeit eine institutionelle Förderung zu erwirken. Das macht mir manchmal etwas Sorge, denn der erhebliche Arbeitsaufwand, den ich über 80-jährig bis heute leiste, ist ehrenamtlich nicht mehr machbar.
Ich habe mir natürlich schon oft Gedanken gemacht, wie eine solche Arbeit gefördert werden könnte. Da die Kirchen über die Arbeit der Kommunalen Ökumene eine erhebliche Aufwertung erfahren, wäre es etwa denkbar zusammen mit der EKBO, dem Erzbistum Berlin und der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden einen gemeinsamen Fonds zur Förderung ökumenischer Arbeit in der Kommune einzurichten.
Vom 13-15. September 2024 soll in Dresden das Jubiläum 40 Jahre konziliarer Prozess in Vancouver bundesweit begangen werden. Was wünschen Sie sich auf dem Weg dorthin für die Zukunft?
Für die Kirchen Deutschlands ist es eine Chance, den von ihnen 1983 ausgerufenen Prozess 2024 in Dresden neu auszurufen und eigene Beiträge einzubringen – auch für die Agenda 2030. Da bin ich schon sehr gespannt. Als Kommunale Ökumene hoffen wir, auch als Akteurin dabei sein zu können. Ich würde mir wünschen, dass kleine Initiativen wie unsere von den Gliedkirchen der EKD mehr gesehen und gefördert werden. Schließlich sind wir es, die „von unten“ Kirchenarbeit machen und neue Themen testen und etablieren. Ich möchte jeden hiermit ermuntern – daran teilzunehmen und möglicherweise auch eigene Aktivitäten zu starten.
Der ökumenische Tag der Schöpfung wird am 1. September um 17 Uhr im Bremer Dom eröffnet. Viele Veranstaltungen finden in der Schöpfungszeit bis zum 4. Oktober statt. Die regionale Feier, zu der auch der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg einlädt, ist zugleich die Jubiläumsfeier 30 Jahre Konziliarer- und Nachhaltigkeitsprozess im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick an drei Orten für Bezirksamt, Zivilgesellschaft und Kommunale Ökumene Treptow-Köpenick.
Samstag, 2. September:
10–12 Uhr, Musikschule Köpenick (Freiheit 15, 12555 Berlin): Die Rolle des Bezirksamtes im gesamten Prozess mit Bezirksbürgermeister Oliver Igel und der Städtepartnerschaft Köpenick-Cajamarca (25 Jahre).
12.30–14 Uhr, Interkultureller Garten (Cardinalplatz 1c, 12555 Berlin): 20 Jahre Interkultureller Garten „Wuhlegarten“ ein Projekt der Zivilgesellschaft, Führung.
15–17.15 Uhr, Hofkirche (Bahnhofstraße 9, 12555 Berlin): Podiumsdiskussion und Schöpfungsandacht. Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung – Was wurde bisher erreicht? Wo liegen Probleme? Was wollen wir erreichen? Mit Bezirksbürgermeister Oliver Igel, Pröpstin Christina-Maria Bammel (ÖRBB), Franziska Dickmanns („Micha Deutschland e.V.“) und Vertreter*innen der Kommunalen Ökumene.
Ökumenischer Ratschlag: 2.9. ab 18.30 Uhr: 40 Jahre Konziliarer Prozess – wie weiter? Hofkirche, 3.9. ab 9.30 Uhr: Neue europäische Friedensordnung, Adventsgemeinde, Parisiusstr. 27. Anmeldung unter: info@kommunale-oekumene.de