Die Auswirkungen der Terror-Angriffe der Hamas in Israel prägten auch die feierliche Eröffnung der Synagoge in Dessau. Bundeskanzler Scholz mahnte zum Aufstehen gegen Hass und Hetze.
Überschattet vom Krieg in Nahost ist in Dessau am Sonntag die neue Weill-Synagoge im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem israelischen Botschafter Ron Prosor eingeweiht worden. In der feierlichen Zeremonie brachte Landesrabbiner Daniel Fabian eine Thorarolle in das jüdische Gotteshaus. Die Dessauer Synagoge ist der erste Synagogen-Neubau in Sachsen-Anhalt seit der deutschen Wiedervereinigung.
Zu Beginn gedachten die Anwesenden in einer Schweigeminute der Opfer der islamistischen Hamas in Israel. Begleitet wurde die Einweihung von zahlreichen Appellen gegen Antisemitismus und scharfer Kritik an jeglicher Unterstützung von Hamas-Terror.
Scholz sagte, die neue Synagoge sei Glück und Geschenk, doch sei die Freude überschattet vom “barbarischen Terror” der Hamas. Es beschäme ihn zutiefst, wie antisemitischer Hass und menschenverachtende Hetze sich nun auch hierzulande Bahn brächen. Die Terroristen wiegelten auf und säten Hass: “Nicht nur im Nahen Osten, sondern auch bei uns. Wir müssen alles daran setzen, dass diese Saat nicht aufgeht.”
Scholz warnte, Hass gegen Juden dürfe nicht mit einem “unerträglichen Ja-Aber relativiert werden, in perfider Täter-Opfer-Umkehr”. Er betonte, Lethargie, Wegsehen und Schweigen seien unangebracht, wenn Jüdinnen und Juden auf der Straße nicht sicher seien, Davidsterne auf Häuser geschmiert und Brandsätze auf Synagogen geworfen werden, “wenn die Opfer des Terror verhöhnt und die Täter verherrlicht werden”.
Botschafter Prosor äußerte sein Entsetzen über die antisemitischen und antiisraelischen Ausschreitungen in Deutschland. Er warb um Zusammenhalt und Unterstützung für Israel: “Es wird ein langer Krieg werden, für den einzig die Hamas verantwortlich ist.”
Die Synagoge bietet Platz für 90 Personen; äußerlich soll der Bau an eine Thorarolle erinnern. Aufgrund der Auswirkungen des Nahostkriegs fand die Eröffnung im Stadtzentrum unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt.
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Mark Dainow, sagte: “Eine Synagoge ist nicht nur ein religiöses Symbol, sondern sie steht für Zusammenhalt und Identitätsbildung, für die Stärkung der Gemeinschaft.” Als sichtbares Wahrzeichen jüdischen Lebens werden sie nun jedoch in einer Zeit eröffnet, in der viele Jüdinnen und Juden aus Angst nicht erkennbar sein wollten.
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dessau, Alexander Wassermann, sagte: “Wir sind sehr stolz und dankbar, dass diese Synagoge gebaut werden konnte.” Sie solle ein Wahrzeichen des Friedens und der Liebe werden: “Es soll nicht nur ein Bethaus für Dessauer Juden sein, sondern Begegnungsstelle für den kulturellen Austausch aller Interessierten.” Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sprach von einem “Symbol eines Neuanfangs”, weit über Dessau hinaus. “Die neue Synagoge lässt Geschichte nicht ungeschehen machen, aber zeigt, dass wir aus Geschichte gelernt haben.”
Die frühere Dessauer Synagoge war am 9. November 1938 bei den Pogromen der Nationalsozialisten geplündert und in Brand gesetzt worden. Das neue Gotteshaus, das am selben Standort errichtet wurde, ist nach dem Komponisten Kurt Weill (1900-1950) benannt, der im örtlichen Rabbinerhaus seine Kindheit verbrachte und dessen Vater Kantor der Jüdischen Gemeinde war. In Dessau wurde auch der Philosoph Moses Mendelssohn (1729-1786) geboren, einer der wichtigsten Wegbereiter der Aufklärung.
In Sachsen-Anhalt zählt die Jüdische Landesgemeinde aktuell gut 1.300 Mitglieder, davon etwa 260 in Dessau. Bislang gab es nur eine Synagoge, in Halle, auf die 2019 während des hohen jüdischen Feiertags Jom Kippur ein rechtsterroristischer Anschlag verübt wurde. Zwei Menschen starben. Eine dritte Synagoge befindet sich im Bau und soll im Dezember in Magdeburg eingeweiht werden.