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Studie: Wohnkosten verschärfen Armut in Schleswig-Holstein

Armut ist in Deutschland einer Studie zufolge wegen hoher Wohnkosten weiter verbreitet als angenommen. Für fünf Millionen Menschen, die bislang nicht als arm gelten, seien im vergangenen Jahr die Wohnkosten so hoch gewesen, dass ihr verbleibendes Einkommen unter der Armutsgrenze gelegen habe, teilte der Paritätische Wohlfahrtsverband Deutschland am Dienstag in Berlin mit. Demnach müssten 18 Millionen Menschen in Deutschland als arm gelten statt 13 Millionen.

Der Paritätische wertet in seiner Studie Menschen als arm, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügen. Laut EU-Konvention gelten diese Menschen allerdings lediglich als armutsgefährdet. Studienautorin Greta Schabram räumte auf Anfrage des Evangelischen Pressediensts (epd) ein, dass die Studie diesen Unterschied nicht mache. Deren Grundaussage, dass Armut nicht nur vom Einkommen, sondern auch von Wohnkosten abhänge, sei dadurch aber nicht verändert.

Am schlechtesten schnitt laut der Studie das Bundesland Bremen ab, wo 33,4 Prozent der Menschen von Armut betroffen sind, wenn die Wohnkosten einbezogen werden. In Bayern war mit einer sogenannten Wohnarmutsquote von 18,1 Prozent die Situation vergleichsweise am entspanntesten. Bundesweit lag die Wohnarmutsquote bei 22,3 Prozent, in Schleswig-Holstein waren es 22,4 Prozent.

Konkret bedeutet das: 645.000 Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner sind arm, wenn man ihre Wohnkosten, also Warmmiete und Strom, mitberücksichtigt – das sind 216.000 mehr als nach konventionellen Berechnungen ausgewiesen.

„Schleswig-Holstein ist gleichzeitig Flächenland und Tourismusland. Diese Kombination verschärft die Wohnungsnot vor Ort“, sagte Michael Saitner, geschäftsführender Vorstand des Paritätischen Schleswig-Holstein. „In vielen Küstenorten und beliebten Regionen erleben wir, dass immer mehr Wohnungen in Ferienapartments umgewandelt werden, während für Einheimische bezahlbare Mietwohnungen fehlen.“

Saitners Forderung: „Land und Kommunen müssen die Nutzung als Ferienwohnung konsequent in den Blick nehmen, regulieren und dafür sorgen, dass wieder mehr dauerhafter Wohnraum für die Menschen vor Ort zur Verfügung steht.“

Der Paritätische forderte für Deutschland eine stärkere Regulierung des Mietmarkts. Die Mietpreisbremse müsse unbefristet bundesweit gelten, Schlupflöcher müssten geschlossen werden. Auch sollten Mieterhöhungen in angespannten Wohnmärkten stärker begrenzt werden. Außerdem müsse der Bund Wohngemeinnützigkeit mehr fördern, Kommunen müssten Sozialbindungen von Wohnungen entfristen und mehr in sozialen Wohnungsbau investieren.

Der Paritätische Schleswig-Holstein forderte, die Wohnsituation systematisch in allen Kommunen im Land zu erfassen, um den Ist-Stand präzise zu kennen, geeignete Maßnahmen zu prüfen und passgenaue Lösungen zu entwickeln. Dazu gehörten eine konsequente Sozialwohnungs- und Gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik, die Stärkung von Wohngemeinnützigkeit und mehr Investitionen in sozialen und genossenschaftlichen Wohnungsbau. Zugleich brauche es Instrumente, um Zweckentfremdung zu Ferienwohnungen zu begrenzen, touristisch genutzte Wohnungen besser zu regulieren und dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu sichern.