Berlin (epd). Die mittlere Generation in Deutschland steht wirtschaftlich gut da – sie fühlt sich aber nicht gut und blickt mit Sorge in die Zukunft. Der diesjährigen "Mitte-Studie" des Allensbach-Instituts zufolge sieht eine Mehrheit überwiegend negative Veränderungen und beklagt sich über eine wachsende Aggressivität im Alltag. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Ostdeutschen sagt, es spiele immer noch eine große Rolle, ob man aus dem Westen oder dem Osten kommt.
Dabei hat die Zufriedenheit mit der eigenen wirtschaftlichen Lage in diesem Jahr einen Höchststand erreicht. Fast 60 Prozent der 30- bis 59-Jährigen geht es gut. 44 Prozent sagen, verglichen mit ihrer Lage vor fünf Jahren, gehe es ihnen besser, im Osten sind es sogar 46 Prozent.
Kritik an gesellschaftlichem Zusammenhalt
Die Frage, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet und wo die Trennlinien verlaufen, beantworten die Ostdeutschen anders als die Westdeutschen. Zwei Drittel der Ostdeutschen (Westdeutsche: 59 Prozent) sagen, die politische Einstellung spalte die Bevölkerung. Der Osten gehe überwiegend von einer politischen Polarisierung und Ost/West-Spaltung aus, bilanzierte Allensbach-Chefin Renate Köcher. Ein Ergebnis, mit dem sich die Politik dringend auseinandersetzen müsse, um einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Insgesamt haben zwei Drittel der 30- bis 59-Jährigen den Eindruck, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt schwach ist, die Hälfte glaubt, dass die negativen Entwicklungen überwiegen und 80 Prozent sagen, die Aggressivität nehme zu.
Aggression auf der Straße
Hauptkampfplatz ist offenbar die Straße: 90 Prozent aller Befragten sehen sich im Straßenverkehr regelmäßig mit aggressivem und rücksichtlosem Verhalten konfrontiert. Die meisten fühlen sich auch auf öffentlichen Plätzen und in Bussen und Bahnen nicht wohl. Für mehr als die Hälfte (54) ist zudem das Internet ein Hort der Aggression. Allensbach-Chefin Köcher sagte, das Problem mit der wachsenden Aggressivität habe sich in vorbereitenden Befragungen abgezeichnet und sei deshalb erstmals in die Studie aufgenommen worden. Viele Menschen hätten von sich aus berichtet, dass sie die zunehmende Aggression überall beobachten.
Zwei Drittel der 30- bis 59-Jährigen – in Ostdeutschland drei Viertel – erleben Deutschland als eine Ellenbogengesellschaft, in den Städten etwas mehr als auf dem Land. Der Trend hat sich gegenüber früheren Umfragen verstärkt. Zeitdruck, Egoismus, mangelnder Respekt, Fremdenfeindlichkeit, Anonymität – das alles nehme zu, findet die mittlere Generation und hofft darauf, dass Elternhäuser, Schulen und Medien sich dagegen stemmen. Von der Politik (29 Prozent im Westen und 26 Prozent im Osten) und den Kirchen (16 Prozent im Westen und elf Prozent im Osten) erwarten die Menschen wenig.