Artikel teilen:

Studie “Deutschland, wie es isst”: Bürger wollen Transparenz

Mehr Transparenz bei Lebensmitteln: In der Studie “Deutschland, wie es isst” äußern die Verbraucher klare Vorstellungen, wie sie sich ihre Ernährung vorstellen. Siegel und Kennzeichnungslabel spielen eine Rolle.

Essen taugt dazu, Ängste und Vorurteile zu schüren. Etwa wenn rechtsradikale Kreise behaupten, eine Elite wolle die Bürger zwingen, Insekten zu essen. Ernährung ist politisch geworden. Etwa wenn CSU-Chef Marcus Söder den Grünen unterstellt, sie wollten den Deutschen den Appetit auf Schnitzel, Currywurst und Schweinsbraten madig machen und die Bürger bevormunden. Fleischfresser gegen Pflanzenfresser: Der Streit um die Ernährung ist bisweilen emotional stark aufgeladen.

Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) will da nicht mitmachen. Es dürfe keinen Kulturkampf ums Essen geben, sagte er am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des Ernährungsreports 2024. Feldzüge von Politikern über richtiges und falsches Essen seien der falsche Weg. Die Bürger wollten echte Wahlfreiheit, Transparenz und gute Qualität. Lebensmittelindustrie, Landwirtschaft und Verbraucher seien bei der Fortentwicklung der Ernährung schon viel weiter, als manche Kulturkämpfer vermuten ließen. “Die Esskultur entwickelt sich weiter”, so der Minister.

Seit 2015 veröffentlicht das Ministerium jährlich den Ernährungsreport “Deutschland, wie es isst”, für den das Meinungsforschungsinstitut Forsa jeweils rund 1.000 Bürgerinnen und Bürger ab 14 Jahren befragt. Laut dem aktuellen Bericht wünschen sich die Bundesbürger möglichst detaillierte Informationen über die Lebensmittel, die sie einkaufen. Özdemir verwies auf die Marktmacht der Verbraucher, die sowohl im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung als auch bei Tierwohl und Ernährungsqualität großen Einfluss nehmen könnten.

Stärker als in den Vorjahren spielten die verschiedenen Kennzeichnungslabel bei der Kaufentscheidung eine Rolle, sagte der Grünen-Politiker. Laut der Forsa-Umfrage achten mittlerweile fast doppelt so viele Menschen wie noch 2015 beim Einkauf auf das Tierwohllabel: Ihre Zahl hat sich von 36 Prozent auf 65 Prozent erhöht. Beim EU-Biosiegel stieg der Anteil von 47 auf 59 Prozent. Mit 39 Prozent kaufen auch deutlich mehr Menschen “öfters” vegetarische oder vegane Alternativen zu tierischen Produkten. 2020 lag dieser Wert bei 29 Prozent. Özdemir verwies darauf, dass das häufig nicht ideologisch begründet werde, sondern eine Folge der Neugier der Verbraucher sei.

Konstant ist die Antwort auf die Frage, was den Menschen beim Essen (sehr) wichtig ist: Seit 2015 beantworten 98 oder 99 Prozent dies mit “gutem Geschmack” (2024: 99 Prozent). Das Kriterium “gesund” steht traditionell mit je 89 bis 92 Prozent auf Platz zwei (2024: 91 Prozent). Frauen legen dabei mit 97 Prozent deutlich mehr Wert auf gesunde Ernährung als Männer (85 Prozent).

Der Handlungsbedarf ist groß. In Deutschland gelten rund 15 Prozent der Kinder als übergewichtig, ein Teil davon als adipös. Auch bei Erwachsenen sind Übergewicht und ernährungsbedingte Krankheiten ein großes Problem. So gibt es nach Auffassung von Wissenschaftlern und Medizinern bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes und einigen Krebserkrankungen starke Zusammenhänge mit dem Ernährungsverhalten.

Laut Ernährungsreport befürworten mehr als vier Fünftel der Befragten (85 Prozent), wenn Fertiglebensmitteln weniger Zucker zugesetzt wird. Für sieben Prozent sollte die fehlende Süße durch Süßungsmittel ausgeglichen werden. Sechs Prozent wünschen keine Veränderungen. Özdemir verwies in diesem Zusammenhang auch auf den Zuckergehalt von Getränken. “Wir wissen, dass zum Beispiel Softdrinks der exakt selben Marke in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Rezepturen und Zuckeranteile haben und die verkaufen dort nicht schlechter”, sagte Özdemir. “Ich glaube jetzt nicht, dass die Geschmacksnerven der Bundesbürger ganz anders sind, beispielsweise wie die in Großbritannien.”

71 Prozent der Befragten gaben am, mindestens einmal am Tag Obst und Gemüse zu essen. Milchprodukte wie Joghurt oder Käse stehen bei 62 Prozent auf dem täglichen Speiseplan. Das sind vier Prozentpunkte mehr als 2023. Bei Fleisch oder Wurst gibt es mit 23 Prozent zum Vorjahr kaum Veränderungen. Seit Beginn der Befragung verzehren jedoch immer weniger Menschen täglich Fleisch oder Wurst: 2015 waren es 34 Prozent und damit elf Prozentpunkte mehr als derzeit.