Vor dem Hintergrund anhaltender Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk bescheinigt eine Medienanalyse deren Nachrichtenformaten eine hohe Vielfalt an Perspektiven. Die Studie „Fehlt da was?“ zeige zugleich, dass Themen wie Wirtschaftspolitik und Parteien wie SPD und Grüne die Medienberichterstattung dominierten, hieß es am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung der Analyse.
Der Leiter der Studie, Marcus Maurer, sagte, die Analyse zeige zwar, dass in den Nachrichtenformaten von ARD, ZDF und Deutschlandradio Raum für eine Stärkung konservativer und marktliberaler Positionen wäre: „Insgesamt trifft die Behauptung, die Nachrichtenformate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seien im Vergleich zu anderen Nachrichtenmedien besonders einseitig, aber nicht zu.“
Die Ausgrenzung der AfD funktioniere dagegen offensichtlich nicht, fügte Maurer hinzu. Mehr Informationen über das AfD-Programm könne dazu führen, dass sie von weniger Menschen gewählt werde. Dagegen könne die AfD davon profitieren, wenn die Parteien als nicht kompetent dargestellt würden.
Eine hohe Vielfalt bescheinigt die Studie auch 38 reichweitenstarken privatwirtschaftlich organisierten Nachrichtenmedien, die als Vergleich dienten. Insgesamt hatten die Mainzer Forscher knapp 10.000 Nachrichtenbeiträge aus dem Zeitraum April bis Juni 2023 analysiert.
Die Studie zeige, dass die Berichte in allen neun öffentlich-rechtlichen Formaten insgesamt eher eine sozialstaatliche als eine marktliberale Perspektive einnahmen, hieß es. Zudem hätten in sieben der neun Formate liberal-progressive Perspektiven gegenüber konservativen Perspektiven überwogen. In dieser Hinsicht hätte die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Formate aber weitgehend den Vergleichsmedien entsprochen.
In acht der neun untersuchten öffentlich-rechtlichen Formate sowie in allen
untersuchten Vergleichsmedien stellten die Redaktionen laut Studie Parteien links
und rechts der Mitte überwiegend negativ dar. Die öffentlich-rechtlichen Formate berichteten zudem weniger negativ über die aktuellen Regierungsparteien als die Vergleichsmedien.
ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten sagte beim anschließenden Civis-Mediendialog, die Studie korrigiere das Bild vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk als „Lügenpresse“. Auch gehe daraus hervor, dass es keine Polarisierung wie in den USA gebe. Die Redaktionen müssten sich allerdings fragen, ob sie zu kritisch über die politische Klasse berichteten.
Der Leiter des Programmbereichs Aktuelles beim WDR, Stefan Brandenburg, forderte die Redaktionen dazu auf, sich bei Themen wie der Pendlerpauschale die Frage zu stellen, was politische Entscheidungen für Menschen bedeuten, „die anders denken, die anders leben als wir“.
Die Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura forderte, außerhalb der Funkhäuser Formate für einen öffentlichen und sicheren Austausch zu schaffen. Ziel müsse es sein, sich mit anderen Lebensrealitäten zu konfrontieren, sagte sie unter Hinweis auf die Unterrepräsentanz von Minderheiten in Nachrichtenformaten.