Mit der Leugnung von Völkermord und dessen Bestrafung beschäftigt sich vom 19. bis 21. Oktober die Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien bei ihrer Konferenz „Nuremberg Forum 2023“ im Saal 600 des Nürnberger Justizpalastes. Laut Christoph Safferling, Professor für Strafrecht und Völkerrecht sowie Direktor der Akademie, nehmen in Deutschland die Fälle von Holocaust-Leugnungen zu. 2010 habe es 60 Verurteilungen wegen der Leugnung des Völkermordes gegeben, 2021 seien es fast 240 Verurteilungen gewesen, sagte er am Mittwoch im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Das deutsche Strafgesetzbuch regelt den Umgang mit dem Verharmlosen oder Leugnen des Holocausts in § 130 zur Volksverhetzung. „Grundsätzlich hat die Meinungsfreiheit als demokratisches Grundrecht einen sehr hohen Stellenwert“, sagte Safferling. Dies mache es schwierig, solche Aussagen zu kriminalisieren. „Nach üblen antisemitischen Übergriffen noch in den 1960er-Jahren haben wir uns in Deutschland dazu entschieden, den Holocaust sozusagen als Geschichtsfakt so festzuschreiben, dass eine Leugnung strafbar ist.“ Das gelte auch für die Europäische Union.
Die Motive für ein Leugnen von Genoziden können laut Safferling ganz unterschiedlich sein. Verantwortliche könnten so versuchen, von ihrer eigenen Schuld abzulenken, oder Geschichtsbilder in ihrem Sinne zu „korrigieren“. „Erzählungen sollen so aktiv gestaltet, faktenbasierte Narrative torpediert werden“. Für Leugner spielten oft auch Rassismus, Hass und ethnische Differenzen eine große Rolle. Damit verbunden sei auch ein Angriff auf die Würde der Opfer und eine mögliche Spaltung der Gesellschaft.
Beim „Nuremberg Forum“ soll der Blick auf zwei weitere historische Beispiele für Völkermorde in Ruanda und Bosnien gerichtet werden, die in den 1990er-Jahren stattgefunden haben und die gerichtlich festgestellt wurden. „Wie wird nun damit umgegangen? Wir müssen feststellen, dass zum Beispiel Bosnien kein versöhntes Land ist und die verschiedenen Religionsgruppen teils unversöhnlich nebeneinander stehen“, sagte der Völkerrechtler. Bei dem Forum mitdiskutieren werden unter anderem Serge Brammertz, Chefankläger des ehemaligen Ruanda-Tribunals, und Aimable Havugiyaremye, Generalstaatsanwalt in Ruanda.
Jenseits des Strafrechts soll auch über eine Kultur der Versöhnung, der Wertschätzung und Reparation gesprochen werden. „Das Strafrecht hat natürlich eine hohe Symbolkraft, aber hilft es tatsächlich auch den Opfern?“, fragt Safferling. „Was muss man tun, um die Opferanerkennung noch mehr zu unterstützen?“ (00/3380/18.10.2023)