Vor 80 Jahren, am 20. Juli 1944, scheiterte ein Staatsstreich gegen das NS-Regime. Wie umgehen mit der Erinnerung an die Widerständler?
Die Stiftung 20. Juli 1944 warnt vor einer Vereinnahmung des Widerstandes gegen das NS-Regime. Vor 80 Jahren hätten Frauen und Männer dem Krieg und der Terrorherrschaft Adolf Hitlers und seiner Gefolgsleute ein Ende setzen und den Weg für einen freiheitlichen Rechtsstaat in Deutschland bereiten wollen, schreiben mehrere Vertreter der Stiftung in einem Gastbeitrag für die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” (Mittwoch). “Dafür setzten sie ihr Leben und die Existenz ihrer Familien ein.”
In einer freien Gesellschaft wie die der Bundesrepublik könnten die Bürger auf vielfältige Weise Missstände benennen und Veränderungen fordern. Dazu gehöre Mut. “Aber wir müssen weder unser Leben einsetzen noch ein vergleichbar hohes persönliches Risiko eingehen wie die Männer und Frauen des Widerstands”, betonen die Autoren des Gastbeitrags. “Das Grundgesetz gewährt uns dann ein Recht auf Widerstand, wenn die Verfassungsordnung bedroht und ‘andere Abhilfe nicht möglich’ ist.”
Opposition gegen die gewählte Regierung und gegen “Mehrheitsentscheidungen innerhalb der rechtsstaatlichen Demokratie” dürfe daher nicht mit Widerstand gegen eine totalitäre Diktatur gleichgesetzt oder verwechselt werden. “Deshalb weisen wir den Versuch von rechten wie linken und auch von religiös motivierten Populisten und Extremisten zurück, den Begriff des Widerstandes gegen unsere freiheitliche Demokratie zu instrumentalisieren.”
Die Stiftung 20. Juli 1944 erinnert an das gescheiterte Attentat auf Hitler. Am 20. Juli 1944 zündete Claus Graf Schenk von Stauffenberg eine Bombe im “Führerhauptquartier”. Hitler wurde nur leicht verletzt. Die Beteiligten im Hintergrund der Verschwörung stammten aus vielen Schichten der Bevölkerung. Das gescheiterte Attentat löste eine brutale Terrorwelle aus. Die Spitzen des Widerstands wurden hingerichtet.
Laut eigenem Bekunden setzt sich die Stiftung dafür ein, “die Gesellschaft für aufkeimenden Totalitarismus zu sensibilisieren, Zivilcourage zu fördern und so die Demokratie und den Rechtsstaat zu stärken”. Die Autoren des Gastbeitrags sind die Vorstandsmitglieder Robert von Steinau-Steinrück und Carolin Sadrozinski, die Kuratoriumsvorsitzende Valerie Riedesel Freifrau zu Eisenbach sowie als Kuratoriumsmitglieder der Politiker Thomas de Maiziere und der Jesuit Klaus Mertes.
Die Widerständler des 20. Juli 1944 seien keine makellosen Helden gewesen, so die Stiftungsvertreter. “Nicht wenige von ihnen hatten zuvor selbst Schuld auf sich geladen. Doch sie besaßen den Mut zur Umkehr.” Ihr Mut, trotz dieser unterschiedlichen Voraussetzungen selbstlos und gemeinsam zu handeln, zeige, wie sich heute zunehmend unüberwindlich erscheinende Spaltungen in der Gesellschaft überwinden ließen.
“Wer sich auf sie berufen möchte, kann nicht bloß selbstgerecht über das Denken und Verhalten anderer urteilen; er muss stattdessen zum Dialog bereit sein und sein eigenes Denken und Verhalten beständig an den Kriterien des Anstands und des Rechts messen”, heißt es weiter.
Der Gastbeitrag endet mit einem Aufruf, Verantwortung in Staat und Gesellschaft zu übernehmen. “Die Demokratie ist darauf angewiesen, dass wir unsere Handlungsspielräume nutzen. Andernfalls verkümmert sie. Rückzug in Pessimismus, Unmut, Politikverdrossenheit, Empörung und Einrichten in der Opferrolle schwächen die Demokratie.” Der Widerstand gegen das NS-Unrechtsregime habe die Kraft, alle Bürger an die Verantwortung für den Erhalt der Demokratie zu erinnern. “Deshalb geht der 20. Juli 1944 uns alle an.”