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Sterben für Gott?

Lange Zeit ignoriert, zwingen die Morde an tausenden von Christen zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema Märtyrer des Glaubens

Agata Skowronek

Als Familie Hentschel am 12. Juni 2009 zusammen mit ihren drei Kindern und anderen Mitarbeitern in der nordjemenitischen Provinz Saada auf einem Ausflug entführt wird, sind die Befürchtungen groß. Und sie sind berechtigt. Nach und nach werden alle Erwachsenen getötet. Nur die drei Kinder kommen später frei und leben heute bei Verwandten in Deutschland. Sind Sabine und Johannes Hentschel und die anderen, die als christliche Entwicklungshelfer in einem staatlichen Krankenhaus Dienst taten, moderne christliche Märtyrer? Ein Teil der deutschen Medien tut sich schwer mit dieser Vorstellung. Im Gegenteil: Das ZDF-Magazin „Frontal 21“ macht mit seinem Beitrag „Sterben für Jesus – Missionieren als Abenteuer“ vor allem die christlich-missionarische Einstellung der Getöteten für deren Schicksal verantwortlich. Also: Selber Schuld, weil sie verantwortungslos gehandelt haben.

Begriff Märtyrer wird in sein Gegenteil verkehrt

Der Rat der EKD rügte in einer Stellungnahme vom 5. September 2009 diese Sicht: „Die verantwortlichen Journalisten können sich unter einem ,Märtyrer‘ offenbar nur den islamistischen Selbstmordattentäter vorstellen. Sie scheinen keinerlei Kenntnis von der christlichen Märtyrervorstellung zu haben, nach der ein Märtyrer Gewalt erleidet, aber nicht anderen Gewalt zufügt.“ In der Tat wird der Begriff Märtyrer in den letzten Jahren immer stärker in sein Gegenteil verkehrt. Die Richtung der Gewalt gerät dabei völlig aus dem Blick.
Zudem ist einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft verdächtig, „wenn religiöser Glaube zu Handlungen motiviert, die derart auf ein höheres Ziel hin ausgerichtet sind, dass sie auch Nachteile für die eigene Person in Kauf nehmen“, schreibt Harald Lamprecht, Weltanschauungs- und Sektenbeauftragter, in der Zeitschrift „Evangelische Orientierung“ (2/2015) des Evangelischen Bundes. Wenn das Handeln der Christen dazu noch mit der „Weitergabe und Verbreitung eigener Glaubensüberzeugungen“ verbunden ist, grenze das schon „gefährlich an religiösen Fanatismus“.
Ein Blick auf die Ursprünge christlichen Märtyrertums weitet den Blick und klärt einiges. Stephanus ist der Erste, der in der Nachfolge Christi wegen seines Bekenntnisses stirbt (Apostelgeschichte 6 und 7). Doch wird der Begriff „Martys“ (griechisch für Zeuge) zuerst auf Bischof Polykarp im Jahr 156 nach Christus angewandt. Er hatte sich der Religionspolitik des römischen Kaisers widersetzt. Dafür wurde er hingerichtet. Die Ursprünge des Märtyrerbegriffs liegen also in der Christenverfolgung im römischen Reich. „Dort beschreibt der Begriff gerade nicht gewaltsame Aktionen der Märtyrer gegen Andersgläubige, sondern das Gegenteil davon: den Verzicht auf Gegengewalt und das Ertragen und Erdulden von Leid und Unrecht und Verfolgung sogar bis zum eigenen Tod“, unterstreicht Lamprecht. Es sei ein Glaube, der darauf vertraut, dass Gottes Kraft in den Schwachen mächtig sei und das habe nichts mit Fanatismus zu tun.
Menschen, die für ihren Glauben einstehen und dafür den Tod erleiden, sollten wieder als Vorbilder geehrt werden – die bekannten und die unzähligen unbekannten.
Einer gehört in diesem Jahr besonders dazu: Jan Hus, der am 30. Mai 1416 – vor 600 Jahren also – wegen seiner reformatorischen Überzeugungen, die er nicht widerrufen wollte, im Feuer starb. In einem ökumenischen Gottesdienst am 6. Juli im Konstanzer Münster lautete die Hauptbotschaft: „Die Wahrheit siegt!“
Unvergessen bleiben müssen auch die evangelischen Märtyrer der Neuzeit: Dietrich Bonhoeffer und Paul Schneider etwa. Aber auch eher unbekannte Namen wie Friedrich Weißler, Justus Perels, Werner Sylten, Elisabeth von Thadden oder der für Westfalen so bedeutsame Pfarrer Ludwig Steil.
Und es gilt die Welt im Blick zu behalten, sei es die vielen Christinnen und Christen, die durch den Völkermord an den Armeniern starben oder solche, die ganz aktuell unter Verfolgung leiden. Viele von ihnen erleiden einen grausamen Tod, weil sie ihrem Glauben an Jesus Christus nicht absagen.