Beim Gedenkakt ging der Bundespräsident auf die Traumatisierung der Überlebenden ein und zog eine Lehre für die gesamte Gesellschaft aus dem rechtsextremen Terroranschlag auf die Synagoge vor fünf Jahren.
Bei einem Gedenkakt in Halle hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der Opfer des rechtsextremen Terrorangriffs auf die örtliche Synagoge vor fünf Jahren gedacht. “Der Täter von Halle wollte uns als Gesellschaft spalten. Er hat zwei Menschen kaltblütig ermordet. Er wollte jüdisches Leben auslöschen. Beides ist ihm nicht gelungen. Er hat nichts erreicht”, sagte Steinmeier laut Redemanuskript am Mittwoch.
“Wer den Terror von Halle überlebt hat, trägt schwer an der Last dieses furchtbaren Tages. Für Sie alle gibt es unwiderruflich ein Davor und ein Danach”, sagte er in Richtung der Überlebenden. 52 Menschen hätten am 9. Oktober 2019 in der Synagoge über Stunden in Todesangst ausgeharrt. “Wir sagen das heute so leicht: dass jemand traumatisiert sei. Dabei kann kein anderer ermessen, wie sich die seelische Verwundung anfühlt, wie sie sich auswirkt, wie sie einen begleitet und auch immer wieder überfällt.”
Die Lehre von Halle sei: “Das Risiko, zum Opfer menschenfeindlicher Gewalt zu werden, tragen nicht alle auf dieselbe Weise. Genau daraus erwächst eine Verantwortung für uns alle. Jeder dieser menschenfeindlichen Angriffe zielt mitten ins Herz unserer offenen Gesellschaft. Jeder dieser Angriffe geht jeden von uns etwas an.” Die Gesellschaft stehe der Gefahr einer Radikalisierung aber nicht machtlos gegenüber: “Es ist Zeit zu widersprechen, wo jemand gegen Minderheiten vorgeht. Es ist Zeit für Vernunft, wo jemand Wut und Hass schürt. Es ist Zeit für Solidarität, wo jemand angegriffen wird.”
Dass der Staat den Anschlag auf Jüdinnen und Juden in ihrem Gotteshaus nicht habe verhindern können, bleibe eine dauerhafte Mahnung, so der Bundespräsident. Er sei froh, dass der Staat mit mehr Schutz reagiert habe: “Die Wahrheit ist aber auch, dass es nahezu täglich schwieriger wird, den Kampf gegen den Terror zu führen. Denn die Hemmschwelle für Hass sinkt, und die Netzwerke des Hasses sind immer schwerer aufzuspüren.”
Am 9. Oktober 2019 hatte ein Rechtsextremist mit Waffengewalt versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, um ein Blutbad unter Jüdinnen und Juden anzurichten, die dort am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur Gottesdienst feierten. Als er nicht in die Synagoge kam, erschoss er eine Passantin davor, danach einen Maler-Azubi in einem nahen Döner-Imbiss und verletzte auf seiner Flucht weitere Menschen, zwei davon schwer. Der Attentäter filmte seine Taten und streamte sie live im Internet. Das Oberlandesgericht Naumburg verurteilte den 28 Jahre alten Täter zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung.