Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat anlässlich des 100. Geburtstags von “Spiegel”-Gründer Rudolf Augstein an die Medien appelliert, sich nicht die Kultur der Dauerempörung zu eigen zu machen. “Lassen Sie nicht zu, dass in unserer Demokratie die Lauten über die Nachdenklichen siegen”, sagte Steinmeier am Freitag beim Festakt im Hamburger “Spiegel”-Gebäude.
Dass die Medien weiter öffentliche Räume herstellten, in denen sich die Gesellschaft über sich selbst verständigen könne, sei unverzichtbar für die Demokratie. “Einerseits eröffnet uns das Internet immer mehr Möglichkeiten, das enorme Potenzial in der Demokratisierung von Wissen zu nutzen. Andererseits ist das Maß an Aufmerksamkeit für ein Ereignis heute mehr denn je direkt von der Monetarisierung einer Nachricht abhängig.” Nicht mehr die Frage, welche Bedeutung eine Nachricht für die Welt habe, sei entscheidend für ihre Verbreitung, sondern ob die Welt sie auch anklicke, sagte Steinmeier.
“Sie alle stehen heute vor enormen Herausforderungen und unter riesigem Druck”, so Steinmeier an die Medien gerichtet. Elektronische Medien und die Sozialen Netzwerke hätten “zu einer Beschleunigung des Nachrichtengeschäfts geführt, die Rudolf Augstein und seine Generation von Journalisten wohl in den Bereich von Science-Fiction verwiesen hätten.”
Daher sei es wichtig und richtig, sich auf Augstein und seine Werte zu besinnen. Der “Spiegel”-Herausgeber sei nicht nur “Geburtshelfer für eine freie Presse”, sondern auch “Akteur im Machtgefüge der Republik” gewesen, sagte der Bundespräsident. Ohne Augstein und den “Spiegel” hätte es die Demokratie in Deutschland nach dem Krieg schwerer gehabt, zitierte der Bundespräsident den ehemaligen “Zeit”-Herausgeber Michael Naumann. “Ich denke, Rudolf Augstein mit seinem besonderen Sinn für Ironie hätte sich auch über die Umkehrung der Aussage gefreut: Mit ihm und seinem Nachrichtenmagazin hatte es die Demokratie auch nicht immer leicht”, ergänzte Steinmeier: “Und das war gut so.”
Rudolf Augstein wurde am 5. November 1923 in Hannover geboren. 1947 gründete Augstein das Magazin “Der Spiegel”, dessen Herausgeber er bis zu seinem Tode 2002 blieb.