Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat einen Vertrauensverlust in eine vernunftbasierte Wissenschaft als Folge der Corona-Pandemie beklagt. Wissenschaft sei nicht nur diskreditiert, sondern fundamental infrage gestellt worden, sagte Steinmeier am Donnerstag in Berlin. Dabei seien es gerade die Wissenschaftler gewesen, die die Politik in dieser Zeit nach bestem Wissen und Gewissen beraten hätten.
Steinmeier sprach bei einer Verleihung von Bundesverdienstkreuzen an Klaus Cichutek und Lothar Wieler. Cichutek hatte in der Zeit der Pandemie das für Arzneimittelzulassungen zuständige Paul-Ehrlich-Institut geleitet, Wieler das Robert Koch-Institut, das wissenschaftliche Erkenntnisse als Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen unter anderem bei Pandemien erarbeitet. Die beiden Wissenschaftler würden auch deswegen ausgezeichnet, weil sie „inmitten manchmal des größten Durcheinanders einen kühlen Kopf bewahrt haben“. „Und weil Sie den Kopf weder vor lauter Hektik verloren noch ihn aus Angst, einen Fehler zu machen, in den Sand gesteckt haben“, fügte der Bundespräsident laut Redemanuskript hinzu.
Steinmeier mahnte bei seiner Ansprache im Schloss Bellevue eine „ehrliche Aufarbeitung“ der Maßnahmen in der Pandemie an. „Gerade in der Corona-Zeit hat sich viel Misstrauen in staatliche Maßnahmen, in politisches Handeln, ja in die demokratische Selbstorganisation unserer Republik artikuliert“, sagte er. Das habe oft gereicht bis hin zu „absurden Verschwörungserzählungen, zu antidemokratischen Demonstrationen, zu Diskriminierung und Hetze, zu Drohung mit oder auch tatsächlicher Anwendung von Gewalt“.
Er lobte zugleich die Fehlerkultur der Wissenschaft allgemein und der beiden Ausgezeichneten im Besonderen. Cichutek und Wieler würden nicht ausgezeichnet, weil sie niemals einen Fehler gemacht oder sich niemals getäuscht hätten. „Sie haben sich manchmal getäuscht, weil sie es zu dem Zeitpunkt einfach nicht besser haben wissen können“, sagte Steinmeier und nannte den Beginn der Pandemie, als es darum ging, ob und wie Masken schützen. Sie hätten dann aber auch „den Mut und die innere Freiheit gehabt“, falsche Einschätzungen einzuräumen und andere Maßnahmen zu erläutern, die auf neuesten Erkenntnissen beruhten.