Mit einer Trauerfeier hat Solingen der Opfer des mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlags vor neun Tagen in der Stadt gedacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach sich dabei auch für eine konsequentere Asylpolitik aus: „Wir müssen jede Anstrengung unternehmen, um die Zugangsregeln, die, es gibt, und diejenigen, die gerade geschaffen werden, umzusetzen.“ Das sei „eine Riesenaufgabe – und sie muss Priorität haben in den nächsten Jahren“. Notwendig sei dazu ein Staat, der für die Sicherheit seiner Bürger sorgt. Und der Staat müsse im Zusammenhang mit der Tat von Solingen nun auch mögliche „Versäumnisse“ aufklären.
„Fassungslos sind wir auch neun Tage nach der Bluttat dieses jungen radikalisierten Islamisten“, gestand der Bundespräsident. Die Tat von Solingen habe das Land „im Innersten“ getroffen. „Es trifft uns in unserem Selbstverständnis als Nation, in der die Menschen trotz aller Unterschiede friedlich zusammenleben und zusammenleben wollen – Menschen, die schon seit Generationen hier leben, genauso wie diejenigen, die später hinzugekommen sind“, betonte er.
Solingen ein “Wendepunkt”
Zugleich rief Steinmeier die Menschen dazu auf, trotz der Trauer und der Wut weiter zusammenzustehen. „Terroristische Gewalt will uns als Gesellschaft entzweien. Und mein inständiger Wunsch, gerade an diesem Tag der Trauer, ist: Lassen wir genau das nicht zu!“ Fanatische Islamisten wollten „zerstören, was wir lieben: unsere offene Gesellschaft, unsere Art zu leben, unsere Gemeinschaft, unsere Freiheit“. Dieses „zynische Kalkül“ habe schon die Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die Täter von Solingen vor 30 Jahren angetrieben.
Wir trauern um die Toten von #Solingen. Wir trauern mit ihren Angehörigen, mit allen in dieser Stadt, mit allen in Deutschland. Das Verbrechen trifft uns ins Herz, es macht uns zornig. Dass wir daraus Lehren ziehen, sind wir ihnen und ihren Angehörigen schuldig. pic.twitter.com/w3zu1vKwnL
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) September 1, 2024
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete den Messerangriff vom 23. August als „Tat des Terrors“ und als „Wendepunkt“. „Wir sind es den Opfern des Anschlags schuldig, mit großer Ernsthaftigkeit daran zu arbeiten, die Ursache des Problems an der Wurzel zu fassen“, sagte der CDU-Politiker. Als Konsequenzen aus der Tat seien „intensive Debatten“ zu führen: über die Asyl- und Einwanderungspolitik, aber auch die Frage, wie man Polizei und Nachrichtendienste besser befähigen könne, die Freiheit zu schützen. „Wir müssen diese Debatten führen ohne Scheuklappen, ohne Schaum vorm Mund, ohne Parteiengezänk.“
An der Trauerfeier nahmen auch Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (alle SPD) sowie weitere Vertreter der Bundesregierung und der NRW-Landesregierung teil. Die Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Solingen, Ilka Werner, und der katholische Stadtdechant Michael Mohr sprachen einige Worte des Beistandes und des Trostes zu den Anwesenden. Geplant waren für den Tag auch Gespräche der Politiker mit Opfern, Angehörigen, Einsatzkräften, Betroffenen und Bürgern.
Solingen gibt sich kämpferisch
Oberbürgermeister Kurzbach bezeichnete die bundesweite Anteilnahme für die Bluttat als „Zeichen, dass wir nicht alleine stehen“. Zugleich nannte er es „nicht gerecht“, dass Solingen – mehr als 30 Jahre nach dem rechtsradikalen Anschlag auf das Haus der türkischen Familie Genç – wieder zum Ort eines brutalen Anschlags geworden sei. Trotz aller Trauer gab sich Kurzbach aber auch kämpferisch: „Wir sind Solingen. Und Solingen beugt sich niemals dem Terrorismus!“
Beim „Fest der Vielfalt“ zum 650. Geburtstag der Stadt Solingen hatte ein Attentäter am Freitag vergangener Woche mehrere Personen mit einem Messer attackiert: Drei Menschen wurden getötet und acht teilweise schwer verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der inhaftierte 26-jährige Syrer Issa Al H., der Anfang 2023 als Asylbewerber nach Deutschland kam. Ihm wird unter anderem dreifacher Mord und die Mitgliedschaft in der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) vorgeworfen.