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Spektakuläre Entscheidung

Der Bundestag stuft die Verbrechen des Osmanischen Reiches an Armeniern und anderen christlichen Minderheiten als Völkermord ein. Die Türkei reagierte prompt

akg-images / Pictures From Histo

Die Folgen der Bundestagsentscheidung für das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei sind noch längst nicht in Gänze abzusehen. Zu befürchten ist allerdings eine deutliche Verschlechterung, denn nach jahrelanger Debatte hat das deutsche Parlament jetzt die Vertreibung und Ermordung von 1,5 Millionen Armeniern vor 100 Jahren als Völkermord eingestuft.
Die Resolution ist ein Signal an die Nachkommen der Opfer. Die Türkei erzürnt die Wortwahl aber so sehr, dass sie ihren Botschafter in Deutschland abberufen hat. Den deutschen Abgeordneten mit türkischen Wurzeln warf Präsident Recep Tayyin Erdogan vor, Terroristen zu unterstützen. Deutschland forderte er auf, Rechenschaft über den Holocaust und die Gräueltaten an den Heroro abzulegen.

Lange Zeit um Entscheidung gerungen

Dabei hatte der Bundestag um die Armenien-Resolution lange gerungen – aus Rücksicht auf die Türkei, die diese Bezeichnung für die Verbrechen auf ihrem Territorium in den Jahren 1915 und 1916 ablehnt. Die Entscheidung im Parlament fiel nun fast einstimmig. Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung wurde ein Antrag angenommen, in dem es heißt, das Schicksal der Armenier stehe „beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gekennzeichnet ist“.
Das Papier benennt erstmals auch eine Mitschuld des Deutschen Reiches, das als Verbündeter der damaligen jungtürkischen Regierung zu den Verbrechen geschwiegen hatte.
Der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich beschrieb die Resolution als Appell zur Selbstverantwortung und zur Aufarbeitung an die Türkei und Armenien. Der CDU-Politiker Franz Josef Jung sagte, der Antrag sei Ausdruck des Respekts vor den Opfern. Die Bezeichnung der Verbrechen an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten als „Völkermord“ erfolge in Übereinstimmung mit der Definition der Vereinten Nationen.
 Schon vor einem Jahr, zum 100. Jahrestag des Beginns der Verbrechen, wurde im Bundestag über die Verwendung des Begriffs gestritten. Ein Antrag blieb seither in den Ausschüssen hängen. Die Grünen brachten das Thema im Frühjahr schließlich wieder auf die Tagesordnung und zwangen die Koalition zu einem diplomatisch brisanten Zeitpunkt zur Beschäftigung mit dem Thema. Von den Versuchen der Einflussnahme von Resolutionsgegnern – teilweise auch in Form von Hassmails und Todesdrohungen – zeigte sich das Parlament unbeeindruckt.
Das türkische Außenministerium bezeichnete die Resolution als „Beispiel für Ignoranz und Missachtung“ des Rechts. Es forderte Rücksicht auf türkische Befindlichkeiten und verwies auf die enge Verbindung zwischen der Türkei und der EU und damit auch Deutschland.
Die Kirchen begrüßten die Entscheidung des Bundestags. Es gebiete die Redlichkeit, keinen Zweifel daran zu lassen, dass es sich bei den Verbrechen gegen die Armenier nicht um kriegsbedingte Exzesse, „sondern um eine systematische Vernichtungsaktion, um einen Genozid“ gehandelt habe, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx.
Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer, sagte, damit habe sich das Parlament „zu der Mitverantwortung bekannt, die Deutschland durch das Mittun und Wegsehen am Genozid an den Armeniern unübersehbar hat“.
Die Vertreibung und Vernichtung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern, Aramäern, Assyrern und Pontos-Griechen begann am 24. April 1915.