Soziale Ungleichheit gefährdet aus Sicht des Sozialforschers Fabian Pfeffer die Demokratie. Häufig sei Vermögen eine Voraussetzung für Machtpositionen in der Gesellschaft, sagte der Gründungsdirektor des neuen Forschungszentrums für soziale Ungleichheit in München dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Die Einflussnahme des obersten Prozents der Gesellschaft hat aber oft keine demokratische Legitimation.“ Wenn Menschen aus anderen Schichten das spürten, könnten sie sich frustriert vom Prinzip demokratischer Mitbestimmung abwenden.
Soziale Ungleichheit sei eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Zeit, sagte der Professor am Lehrstuhl Soziale Ungleichheit und Soziale Strukturen an der Ludwig-Maximilians-Universität, der vor dem Antritt seiner Professur in München fast 20 Jahre lang in den USA geforscht hat: „Momentan scheint der Reichtum Weniger keine Grenzen zu kennen.“ Während die Einkommensverteilung in vielen Ländern gut erforscht sei, stehe die Analyse der Vermögensverteilung in der Sozialforschung erst am Anfang.
Schon jetzt sei klar, dass die extreme Ungleichheit beim Vermögen in Deutschland und Schweden fast ebenso ausgeprägt sei wie in den USA, obwohl diese Länder bei der Einkommensungerechtigkeit im mittleren und unteren Bereich der weltweiten Skala lägen. Auffällig in Deutschland sei das „sehr stabile Ausmaß“ an Vermögensungleichheit, das sich auch durch Weltkriege und Finanzkrisen kaum verändert habe.
Pfeffer sagt, die Erforschung von sozialer Ungleichheit solle sich auch mit „realen Utopien“ auseinandersetzen – unabhängig von ihrer derzeitigen politischen Umsetzbarkeit. Die Vermögenssteuer sei in Deutschland 1995 aus formaljuristischen Gründen abgeschafft worden, eine Wiedereinführung werde derzeit als utopisch betrachtet: „Trotzdem sollten wir mit den klassischen Methoden der Sozialwissenschaft erforschen, wie sie wieder erhoben werden könnte und was das für die öffentlichen Kassen bedeuten würde.“ Gleiches gelte für basisdemokratische Modelle wie partizipative Budgetierung, also die teilweise Freigabe von kommunalen Mitteln für Bürgerprojekte, oder für Konzepte wie „Erbe für alle“ sowie das bedingungslose Grundeinkommen.
Ziel des neuen „Munich International Stone Center for Inequality Research“ sei es, internationale Netzwerke zu stärken und kennenzulernen, wie scheinbar radikale Ideen anderswo funktionieren. Ein Fokus liege auch darauf, „Datenschätze“ zu heben und die Dateninfrastruktur auszubauen. „Wenn mehr Daten zugänglich sind, werden damit Fragen beantwortet, die wir heute noch gar nicht kennen“, sagte der Sozialwissenschaftler.