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Solinger Superintendentin: Trauern und Willkommenskultur leben

Die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Solingen, Ilka Werner, warnt davor, in der Debatte über den Terroranschlag vor einer Woche nur auf Abschottung und die Ausweisung von geflüchteten Menschen zu setzen. Es sei weiterhin wichtig, als Gesellschaft eine Willkommenskultur zu leben, sagte Werner dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese Willkommenskultur sei allerdings nie statisch, sondern müsse stets den Erfordernissen angepasst werden. Dazu gehöre, die bestehenden Rechtsmittel auszuschöpfen, also geflüchtete Menschen, die ausgewiesen werden sollen, auch auszuweisen.

Mindestens ebenso wichtig sei es aber auch, die Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen in den Kommunen zu verbessern, betonte die Theologin. Leider mangele es dort in der Verwaltung und auch bei den Wohlfahrtsverbänden aufgrund fehlender Mittel oft an Personal. Das betreffe sowohl Maßnahmen der Integration als auch der Rechtsdurchsetzung.

Beim „Fest der Vielfalt“ zum 650. Solinger Stadtjubiläum hatte ein Attentäter am Freitagabend vor einer Woche drei Menschen erstochen und acht Menschen verletzt. Mutmaßlicher Täter war der inhaftierte 26-jährige Syrer Issa Al H., der Anfang 2023 als Asylbewerber nach Deutschland kam. Ihm wird unter anderem die Mitgliedschaft in der islamistischen Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) vorgeworfen.

Werner appellierte an die Stadtgesellschaft, sich Zeit für Trauer und das Gedenken zu geben. Sie halte es „sachlich und auch emotional für falsch“, jetzt schon darüber zu diskutieren, wie eine solche Tat künftig verhindert werden könne, sagte die leitende Theologin des Kirchenkreises Solingen. Stattdessen sei es in der aktuellen Situation „wichtig, dass wir bei uns und der Traurigkeit bleiben“.

Um der Trauer Ausdruck zu verleihen und Trost zu spenden, ist für den frühen Sonntagabend ein „Konzert der Begegnung“ in der Stadtkirche in unmittelbarer Nähe des Tatorts geplant. Zuvor gibt es im Theater- und Konzerthaus der Stadt eine Trauerfeier, in der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht, und anschließend am Fronhof neben der Stadtkirche eine Kranzniederlegung mit Schweigeminute.

Werner betonte, sie sei froh, dass sich in Solingen nach dem rassistisch motivierten Brandanschlag von 1993 auf das von der türkischen Familie Genç bewohnte Haus mehrere Bündnisse der Zivilgesellschaft gegründet haben. Sie könnten die aktuellen Ereignisse aufgreifen und Rat oder Trost suchenden Menschen zur Verfügung stehen. Politische Stellungnahmen halte sie derzeit aber nicht für angebracht, betonte die 59-jährige Theologin. Dafür seien die Eindrücke aus der Tatnacht und den Folgetagen noch zu sehr präsent.

In der Stadt sei eine zivilgesellschaftliche Kultur entstanden, die aufmerksam sei und gegen rechtsradikale und rassistische Tendenzen mobil mache. Solche Initiativen würden den Menschen „bis zu einem gewissen Grad“ helfen. Dennoch sei festzustellen: „Gegen so eine Attacke kann man sich nicht wirksam schützen“, betonte Werner, die seit 2013 Superintendentin im Kirchenkreis Solingen ist.