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Sicherheit für die Verletzbarsten

Der Süden trägt die Lasten des Klimawandels, die Industrienationen verursachen ihn. Dafür müssen sie auch finanziell Verantwortung übernehmen, fordert Alfred Buß

Carsten Stormer / Zeitenspiegel

Die zurzeit in Bonn tagende UN-Klimakonferenz (siehe auch Seite 4) muss nach Worten des Umweltexperten und Theologen Alfred Buß Hilfen für besonders vom Klimawandel betroffene Länder auf den Weg bringen. Als Beispiel nannte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW weltweite Klimarisikoversicherungen, in die vor allem Nationen einzahlen sollten, die am meisten Klimagase freisetzen. Auch müsse der CO2-Ausstoß stärker verringert werden als geplant, mahnte Buß im Gespräch mit Holger Spierig. Klimaschutz bleibe auch innerhalb der Kirchen ein wichtiges Thema, sagte der Sprecher des „Worts zum Sonntag“ und frühere westfälische Präses.

Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Klimagipfel?
Patricia Espinosa, die UN-Klimasekretärin, hat das Abkommen von Paris 2015 ein „Geschenk der Hoffnung“ genannt. Völlig zu Recht. Dieses Geschenk eines völkerrechtlich verbindlichen Vertrages gilt es zu hegen und zu pflegen. Deshalb muss es in Bonn vom Verhandeln zum Handeln kommen. Mit bis zu 25 000 Teilnehmenden aus aller Welt ist die Bundesstadt Veranstaltungsort der bisher wohl größten Klimakonferenz. Besonders erfreulich: Das Heft des Handelns liegt nicht nur in Händen von Klimadiplomaten, es sind auch Fachleute aus Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaft und Wirtschaft sowie Repräsentanten von Kommunen und Regionen aus allen Erdteilen an den Rhein gekommen.

Welche Bedeutung hat es, dass der offizielle Gastgeber Fidschi ist?
Damit hat ein vom Klimawandel besonders bedrohtes Land die Präsidentschaft der Bonner Klimakonferenz inne. Im Februar 2016 traf der Wirbelsturm „Winston“ auf Fidschi und machte 300 Inseln zum Katastrophengebiet. Vom Klimawandel besonders verletzbare Regionen und Menschen und der Zustand der Ozeane werden in Bonn also erhöhte Aufmerksamkeit bekommen.

Welche Themen muss der Gipfel für den Klimaschutz mit Priorität anpacken?
Erstens muss in Bonn der Textentwurf mit stringenten Regeln für die Umsetzung des Pariser Abkommens formuliert werden. Dieses „Regelbuch“ soll im nächsten Jahr beim Klimagipfel im polnischen Katowicé (deutsch: Kattowitz) zur Beschlussfassung vorliegen. Viele Modalitäten sind abzuklären, damit ein Klima gegenseitigen Vertrauens die Umsetzung des Pariser Abkommens befördert. So ist ein Berichtswesen mit einem Transparenzrahmen vonnöten, der beispielsweise die Emissionsreduktionen in verschiedenen Ländern vergleichbar macht oder Gewähr dafür bietet, dass die in Paris zugesagten Mittel der Klimafinanzierung für die Entwicklungsländer auch tatsächlich fließen.
Zweitens wurde in Paris beschlossen, die nationalen Ziele für Emissionseinsparungen von Klimagasen immer weiter zu erhöhen, um den globalen Temperaturanstieg von weniger als zwei Grad zu erreichen. Dafür genügen die bisher vorgegebenen Ziele bei Weitem nicht. In Bonn muss nun festgelegt werden, nach welchen Regeln diese Nachbesserungsrunden künftig laufen. Deutschland hat dabei schon jetzt große Schwierigkeiten, sein Einsparziel 40 Prozent bis 2020 einzuhalten. Soll das Ziel überhaupt noch erreicht werden, müsste bis 2020 wohl die Hälfte der Kohlekraftwerke hierzulande vom Netz genommen sein.

Was ist Ihnen noch wichtig?
Drittens muss der Anpassungsfonds einen neuen gesicherten Rahmen bekommen. Der Anpassungsfonds finanziert Klimaschutz-Maßnahmen in Entwicklungsländern. Die armen Länder des Südens sind heute schon stark von den Auswirkungen der Erd-erwärmung betroffen, obwohl sie aufgrund ihrer geringen CO2-Emissionen selbst kaum zum Klimawandel beitragen. Anpassungsmaßnahmen sollen die unterschiedlichsten Folgen des Klimawandels eindämmen.
 Viertens zeigt das Beispiel Fidschi-Inseln, dass von Klimakatastrophen heimgesuchte Länder fast immer mit den Schäden und Verlusten alleingelassen werden, obwohl sie den Klimawandel kaum mitverursachen. So musste Vunidogoloa auf Vanua Levu in Fidschi – als erstes Dorf weltweit aufgrund des Klimawandels – umsiedeln von der Küstenebene auf die bergige Höhe. Ein Drittel der Umsiedlungskosten blieb an den Dorfbewohnern selbst, der Rest an Fidschis Regierung hängen. Manche Pazifikinseln drohen aufgrund des Meeresspiegelanstiegs ganz zu versinken.

Was kann man dagegen tun?
Für solche Schäden und Verluste muss es künftig weltweite Klimarisikoversicherungen geben, in die solche Nationen am meisten einzahlen, die den Löwenanteil an Klimagasen freisetzen, wie es die InsuResilience-Initiative anstrebt. Damit würden die Ärmsten und Verletzbarsten eine Absicherung bekommen. Auch das muss in Bonn auf den Weg gebracht werden.

Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach die Aufkündigung des Klimaabkommens durch die USA auf den Klimagipfel auswirken?
Der Ausstieg der USA ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Donald Trump, dessen größte Unterstützung im Wahlkampf aus den Unternehmen mit Kohle-, Öl- und Gasförderung kam, steht für einen in manchen Teilen der Welt verbreiteten Widerstand gegen das Pariser Klimaabkommen. Und doch war die Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf den Rückzug der USA eindeutig: Wir halten am Pariser Abkommen fest und werden alles dafür tun, seine Ziele einzuhalten. Auch in den USA treiben sehr viele Akteure in Politik und Wirtschaft den Klimaschutz weiter voran.
Schließlich werden – angesichts der klimapolitischen Geisterfahrt der US-Regierung – die Europäische Union, China, Kanada, eine  Reihe von lateinamerikanischen und afrikanischen Staaten sowie das Forum der fünfzig verletzlichsten Entwicklungsländer – mit Fidschi – bei der ambitionierten Ausgestaltung der Pariser Beschlüsse in Bonn die treibenden Kräfte sein.

Warum ist das Trema Klimaschutz auch den Kirchen ein wichtiges Anliegen?
Wird das im Pariser Abkommen vereinbarte Ziel von weniger als zwei Grad Temperaturanstieg weltweit verfehlt, so wird der Klimawandel alles Leben auf der Erde durch Dürren, Starkregen, Überschwemmungen, Hurrikans und in ihrer Folge Hungersnöte, Flucht und Vertreibung, Infektionen oder Artensterben in einem nicht gekannten Ausmaß bedrohen. Das zu verhindern gebietet der Schöpfungsauftrag Gottes an den Menschen, die Erde zu bebauen und zu bewahren.
Und weil schon heute vor allem die armen Länder des Südens von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, dass sich die Kirchen für Klimaschutzmaßnahmen in diesen Ländern, die Reduzierung der Risiken für die Verletzlichsten und den Zugang zu nichtfossilen Energiequellen für alle Menschen engagieren.